Tod in den Anden
meinen Vetter Sebastián, obwohl mein Vater sagte, es wäre vielleicht besser gewesen, er hätte ihr das Fett herausgeschnitten. Er ließ ihr das Leben, aber er machte sie zur Magd eines pishtaco. Vorher mißbrauchte er sie, indem er sie auf den feuchten Boden der Grotte warf und sie mit seinem Schraubenzieher durchbohrte. Die Schreie meiner Schwester in ihrer Hochzeitsnacht waren in allen Häusern Quenkas zu hören. Danach verlor sie ihren Willen und lebte nur, um ihrem Herrn und Gebieter zu dienen. Sie bereitete ihm mit Hingabe den Kartoffelbrei, für den er eine Vorliebe besaß, trocknete und salzte das Fleisch der Opfer, das gedörrt wurde und das sie mit Mote aßen, und half ihm, die Geschlachteten an den Haken aufzuhängen, die Salcedo in den Stein trieb, damit das Fett in die Kupferbecken laufen konnte.
Meine Schwester war die erste von mehreren, die in die Höhle gingen und für ihn kochten und ihm als Helferinnen dienten. Von jener Zeit an unterwarf sich Quenka seinem Willen. Wir brachten ihm Abgaben in Form von Nahrung. Wir ließen sie am Eingangder Grotte und von Zeit zu Zeit auch das Mädchen, das er verlangte. Und wir fanden uns damit ab, daß zuweilen Bewohner verschwanden, die der pishtaco Salcedo mit sich nahm, um seinen Fettvorrat zu erneuern.
Bis der tapfere Prinz auftauchte? Es war kein Prinz, sondern ein Pferdebändiger aus den Pampas de los Morochucos. Wer die Geschichte kennt, kann sich die Ohren zuhalten oder hinausgehen. Ist euch, als würdet ihr sie von neuem erleben? Macht sie euch Mut? Macht sie euch begreiflich, daß es gegen große Übel immer große Mittel gibt?
Timoteo, der Großnasige, wußte, was in Quenka geschah, und kam mit der Absicht aus Ayacucho, in die Grotten zu gehen und ihm die Stirn zu bieten. Timoteo Fajardo, so hieß er. Ich kannte ihn gut: Er war mein erster Ehemann, obwohl wir nie geheiratet haben. ›Kann ein einfacher Sterblicher einem Stiefsohn des Teufels die Stirn bieten?‹ sagten sie zu ihm. Auch mein Vater versuchte, ihn zu entmutigen, als er ihm respektvoll sein Vorhaben mitteilte, in die Höhle des pishtaco zu gehen, um ihm den Kopf abzureißen und uns von seiner Tyrannei zu befreien. Aber Timoteo bestand darauf. Nie habe ich einen so verwegenen Menschen gekannt. Er war ein gutaussehender Mann, obwohl er eine so große Nase hatte. Er ließ seine beiden mundgroßen Nasenflügel beben. Das war sein Glück. ›Ich kann es machen‹, sagte er, mit was für einer Sicherheit! ›Ich kenne das Rezept, wie ich michihm nähern kann, ohne daß er mich wittert: eine Knoblauchzehe, eine Prise Salz, ein Stück trockenes Brot, ein Kügelchen Eselskot. Und bevor ich in die Grotte hineingehe, muß mir eine Jungfrau auf die Stelle urinieren, wo mein Herz ist.‹
Ich besaß die Voraussetzungen. Ich war jung, unberührt, und als ich ihn hörte, erschien er mir so mutig, seiner selbst so sicher, daß ich ihm meine Hilfe anbot, ohne meinen Vater um seinen Rat zu fragen. Es gab allerdings eine Schwierigkeit. Wie würde er aus den Grotten herausfinden, nachdem er Salcedo umgebracht hätte? Sie waren so groß und so verwinkelt, daß niemand imstande gewesen war, sie ganz zu erkunden. Die Gänge teilten sich, führten hinauf, hinunter, krümmten sich und verzweigten und verflochten sich wie die Wurzeln des Eukalyptusbaumes. Und außer Fledermäusen gab es Stollen mit giftigen Ausdünstungen, die kein menschliches Wesen einatmen konnte, ohne zu ersticken.
Wie würde Timoteo Fajardo herausfinden, nachdem er den pishtaco getötet hätte? Seine Riesennase brachte mich auf die Idee. Ich bereitete für ihn einen dicken Eintopf, schön scharf, mit diesem grünen Pfeffer, der selbst in hartnäckigsten Fällen die Verstopfung heilt. Er aß den ganzen Topfleer und hielt aus, bis sein Magen schier platzen wollte. Erst dann ging er in die Höhle. Es war am Nachmittag, und die Sonne schien, aber nach wenigen Schritten fand Timoteo sich im Dunkeln wieder. In bestimmten Zeitabständenblieb er stehen, ließ die Hose herunter, hockte sich nieder und machte ein Häufchen. Am Anfang bewegte er sich aufs Geratewohl vorwärts, wobei er einen Arm vor die Augen hielt, weil die Fledermäuse von der Decke herunterkamen und mit ihren klebrigen Flügeln sein Gesicht streiften. Er spürte auf der Haut die Fäden der Spinnweben. So tastete er sich eine gute Weile voran, hielt inne, um den Obulus seines Leibes zu entrichten, und setzte seinen Weg wieder fort. Bis er ein kleines Licht bemerkte. Von diesem
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