Tod in den Anden
Promenade, fast im Dunkeln, denn die nächste Straßenlaterne war zerstört. Zwischen ihren Röcken holte die Frau ein Paket aus Zeitungspapier mit den geretteten Dollars hervor und überreichte es Carreño. Sie stellte Mercedes keine Frage und schaute sie nicht ein einziges Mal an. Der Junge nahm eine Handvoll Geldscheine und steckte sieseiner Mutter in die Tasche, ohne etwas zu sagen. Das Gesicht der Frau drückte weder Angst noch Überraschung aus.
»Hast du was über meinen Paten herausgefunden?« fragte Tomás.
Sie nickte. Und streckte eine wenig den Kopf vor, um ihm in die Augen zu sehen. Sie sprach leise, in flüssigem Spanisch, aber mit starkem Hochlandakzent.
»Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm die Nachricht hinterlassen, und er ist persönlich zu mir nach Hause gekommen«, sagte sie. »Er war sehr besorgt. Ich habe geglaubt, er würde mir mitteilen, daß dir was Schlimmes passiert ist, daß man dich umgebracht hat. Er sagt, du sollst so rasch wie möglich Verbindung mit ihm aufnehmen.«
»Ich habe ihn mehrmals am Tag angerufen, das Telefon bei ihm zu Hause ist immer besetzt.«
»Er will nicht, daß du ihn zu Hause anrufst. Besser in seinem Büro, vor zehn und im Namen des Chino.«
»Das beruhigte mich ziemlich«, sagte der Junge. »Wenn er meine Mutter aufgesucht hatte, wenn er wollte, daß ich ihn anrief, dann konnte er nicht so wütend auf mich sein. Aber ich brauchte noch an die zehn Tage, bis ich ihn erreichte. Das machte Mercedes große Angst, aber mir nicht. Denn dadurch kam ich weiter in den Genuß unserer Flitterwochen. Trotz der Ungewißheit und der unangenehmen Überraschungen werde ich nie wieder so glückliche Tage erleben, Herr Korporal.«
Als sie sich von der Mutter verabschiedet hatten und in die Pension in den Barrios Altos zurückkehrten, bestürmte Mercedes Carreño mit Fragen:
»Wie ist es möglich, daß deine Mutter diese Sache mit einer solchen Ruhe nimmt? Sie ist nicht überrascht, daß du dich versteckst, daß du mit mir zusammen bist, daß man bei dir eingebrochen hat. Ist das vielleicht normal, daß dir solche Sachen passieren?«
»Sie weiß, daß das Leben in Peru so seine Risiken hat, mein Liebling. Sie wirkt zwar klein und mickrig, aber sie ist eine Frau mit eiserner Kraft. Sie hat tausend Schwierigkeiten durchgemacht, um mich großzukriegen. In Sicuani, in Cusco und in Lima.«
Carreño war froh, wieder im Besitz seiner Dollars zu sein, und machte sich über Mercedes lustig, weil sie ihre Ersparnisse auf die Bank getragen hatte.
»Dieses Land ist zu gefährlich, um den Banken zu trauen, der beste Geldschrank ist die Matratze. Du hast ja gesehen, dieser Zambo in La Victoria hätte dich beinahe um dein ganzes Geld gebracht. Aber wie gut, daß er deinen Ausweis zerrissen hat, jetzt bist du von mir abhängig. Um das zu feiern, lad ich dich zum Tanzen ein. Zeigst du mir ein paar von diesen Tanzschritten, die du in der Show im Vacilón gemacht hast?«
»Wie kannst du in dieser Situation nur daran denken, dich zu amüsieren«, empörte sich Mercedes. »Hohlkopf, Luftikus.«
»Das kommt daher, daß ich verliebt bin, meinSchatz, und ich sehne mich heiß danach, mit dir cheek to cheek zu tanzen.«
Am Ende gab Mercedes nach, und sie gingen ins ›Rincón de los Recuerdos‹. Dort würde niemand ihr Gesicht sehen. Es war ein dunkles, romantisches Lokal am Paseo de la República, wo alte Tangos von Gardel und Boleros von Leo Marini, Agustín Lara und Los Panchos gespielt wurden. Sie tranken Cuba libre; Carreño stieg der Alkohol rasch zu Kopf. Er redete pausenlos über das Leben, das sie in Miami führen würden. Er würde eine Transportgesellschaft für Wertsachen aufziehen, er würde reich werden, sie würden heiraten und Kinder haben. Er drückte Mercedes fest an sich, während sie tanzten, und küßte heftig ihren Hals und ihr Gesicht.
»Solange du mit mir zusammen bist, wird dir nichts passieren, mein Ehrenwort. Warte, bis ich mit meinem Onkel geredet habe, bis der dicke Iscariote zurück ist. Dann lacht uns das Glück. Mir lacht es schon dank dir.«
»›Rincón de los Recuerdos‹, ein hübscher Name«, seufzte Lituma. »Ich werde ganz wehmütig, wenn ich dir zuhöre, Tomasito. Ein dunkles Lokal, ein paar gute Drinks, romantische Musik und ein zärtliches Mädchen, das eng mit dir tanzt. Ob es diese Dinge wohl noch gibt?«
»Herrlich und wunderschön war dieser Abend, Herr Korporal, solange wir in dem Nachtklub waren«, sagte der Junge. »Sie hat mich auch ab und zu
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