Tod in den Anden
eine verlorene Seele, trieb sich in allen Winkeln umher, bis er auf den Haciendas von Ica den Pisco entdeckte und zu dessen Händler und Fürsprecher wurde. Eines Tages sah er sie im Traum: Seine Mutter bestellte ihn zum Karnevalssonntag um Mitternacht auf den Friedhof von Yanacoto. Dort ging er hin, sehr bewegt. Aber der Wächter, ein Krüppel, dessen Nase von der Uta-Krankheit zerfressen war, namens Yaranga, wollte ihm nicht den Zutritt gestatten, wenn er nicht zuvor die Hosen herunterließe. Sie stritten miteinander und kamen zu einer Vereinbarung: Yaranga würde ihn zu seinem Stelldichein hereinlassen unter der Bedingung, daß er sich vor ihm bückte, bevor er seine Ehe vollzöge. Dionisio ging hinein, sprach mit seiner Mutter, verabschiedete sich von ihr, und jetzt, auf seinem Hochzeitsfest fünfzehn Jahre später, mußte ich ihn begleiten, damit er das Versprechen einlösen konnte.
Wir brauchten zwei Tage, um nach Yanacoto hinaufzukommen,den ersten in einem Lastwagen und den zweiten auf einem Maultier. Auf der Hochebene lag Schnee, und die Leute hatten blaugefrorene Lippen und von der Kälte verätzte Gesichter. Der Friedhof war nicht mehr von der kleinen Mauer umgeben, an die Dionisio sich erinnerte, auch der Wächter war nicht mehr da. Als wir fragten, sagte man uns, Yaranga sei vor Jahren im Wahnsinn gestorben. Dionisio hörte mit seinen Nachforschungen nicht auf, bis man uns sein Grab zeigte. In jener Nacht, als die Familie, die uns Obdach gegeben hatte, schlief, faßte er mich bei der Hand und führte mich dorthin, wo Yaranga begraben lag. Den ganzen Tag hatte ich gesehen, wie er mit seinem Messer eifrig an einem Stück Weidenholz herumschnitzte. Was er schnitzte, war ein sichtbar verliebter Schwanz. Er beschichtete ihn mit Kerzenwachs, pflanzte ihn auf das Grab Yarangas, ließ die Hose herunter und setzte sich darauf mit einem lauten Schrei. Danach riß er mir trotz der eisigen Kälte die Unterhose vom Leib und legte mich auf den Boden. Er nahm mich von vorne und von hinten, mehrere Male. Obwohl ich nicht mehr Jungfrau war, stieß ich mehr Schreie aus als er, glaube ich, bis ich das Bewußtsein verlor. Das war unsere Hochzeitsnacht.
Am nächsten Morgen begann er, mich die Weisheit zu lehren. Ich besaß gute Anlagen, um die Winde zu unterscheiden, die Geräusche aus dem Erdinnern zu hören und mich mit dem Herzen der Menschen zu verständigen, indem ich ihr Gesicht berührte. Ichglaubte, ich könnte tanzen, aber er brachte mir bei, mich in die Musik hineinzubegeben und sie in mich hereinzulassen, bis nicht ich sie, sondern sie mich tanzte. Ich glaubte, ich könnte singen, aber er brachte mir bei, mich vom Gesang beherrschen zu lassen und die Dienerin der Lieder zu sein, die ich sang. Nach und nach lernte ich, die Linien der Hand zu lesen, die Figuren der Kokablätter zu entziffern, wenn sie auf dem Boden liegen, nachdem sie durch die Luft geflattert sind, die Leiden zu finden, indem ich ein lebendiges Meerschweinchen über den Körper der Kranken führte. Und wie zuvor reisten wir, fuhren zur Küste hinunter, um den Piscovorrat zu erneuern, und brachten Leben in viele Feste. Bis die Wege durch die vielen Massaker gefährlich zu werden begannen und die Dörfer leer wurden und sich in heftigem Mißtrauen gegen die Fremden verschanzten. Die Verrückten gingen weg, die Musiker verließen uns, die Tänzer lösten sich in Luft auf. ›Es ist Zeit, daß auch wir Wurzeln schlagen‹, sagte Dionisio eines Tages zu mir. Wir waren alt geworden, scheint es.
Ich weiß nicht, was aus Timoteo Fajardo geworden ist, nie habe ich es erfahren. Das Gerede habe ich wohl erfahren. Es verfolgte mich wie mein Schatten Jahre um Jahre, überall hin. Hast du ihm Gift in den Kartoffelbrei getan und ihn umgebracht, um mit dem dicken Säufer durchzubrennen? Hat der ihn umgebracht, unter der Mithilfe des muki ? Hast du ihn dem pishtaco zum Geschenk gemacht? Habt ihr ihnzu eurem Hexensabbat hoch auf dem Berg mitgenommen, haben die verrückten Weiber, betrunken wie sie waren, den Großnasigen dort in Stücke gerissen? Habt ihr ihn danach verspeist, kleine Hexe? Sie hatten also schon begonnen, mich Hexe und Doña zu nennen.«
»Ich hab dich mit Absicht leiden lassen, als ich deine Anrufe nicht beantwortet und dir den Termin nicht gegeben habe, um den du mich gebeten hast«, warf der Kommandant Carreño zur Begrüßung hin. »Um dich schmoren zu lassen. Und weil ich mit aller Bosheit deine Bestrafung planen wollte, du verdammter
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