Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
Festes an mir war, mit ihm zu tanzen, preßte er mich an sich, befummelte mich, ließ mich seine steife Rute gegen meinen Bauch spüren und seine Zunge schlucken, die heiß war wie ein Braten in der Pfanne. In jener Nacht trat Timoteo Fajardo mich blutig, während er zu mir sagte: ›Du würdest mit ihm gehen, wenn er es wollte, nicht wahr, du Hure?‹
    Er verlangte es nicht von mir, aber vielleicht wäre ich mit ihm gegangen, wenn er mich gebeten hätte, als eine mehr seines Gefolges, noch eine Verrückte, die ihm durch die Bezirke und Distrikte des Hochlands folgte, die über alle Wege der Anden zog, zu den kalten Hochebenen empor, in die heißen Täler hinab, unter dem Regen und unter der Sonne lief, für ihn kochte, seine Wäsche wusch, seinen Launen gehorchte und auf den Samstagsmärkten die Marktbesucher erheiterte und sogar hurte, um ihm zu Gefallen zu sein. Wenn sie sich zur Küste hinunter begaben, um den Piscovorrat zu erneuern, tanzten die verrückten Weiber und die Tänzer angeblich in den Vollmondnächten nackt in den Sandwüsten am Meer,während Dionisio in Frauenkleidern den Teufel beschwor.
    Die Leute sagten alles mögliche über ihn, mit Angst und mit Bewunderung. Aber niemand wußte wirklich Näheres über sein Leben, Klatschgeschichten, nichts weiter. Daß ein Blitz seine Mutter bei einem Unwetter erschlagen habe, zum Beispiel. Daß die Frauen einer Gemeinschaft von Iquichano-Indios, die noch immer Götzen anbeteten, ihn auf den Höhen von Huanto aufgezogen hätten. Daß er in jungen Jahren verrückt gewesen sei, in einem Missionshaus der Dominikaner gelebt und durch einen Pakt mit dem Teufel den Verstand zurückerlangt habe. Daß er im Urwald unter kannibalischen Nacktärschen gelebt habe. Daß er den Pisco auf seinen Reisen durch die Wüsten an der Küste entdeckt habe und daß er seither durch das Hochland ziehe, um ihn zu verkaufen. Daß er überall Frauen und Kinder habe, daß er gestorben und wiederauferstanden sei, daß er pishtaco, muki , Seelenbeschwörer, Hexer, Sterndeuter, Wünschelrutengänger sei. Es gab kein Geheimnis, keine Ungeheuerlichkeit, die man ihm nicht unterstellte. Ihm gefiel sein schlechter Ruf.
    Er war natürlich mehr als ein umherziehender Piscoverkäufer, das war allen klar; mehr als ein Impresario von Folkloremusikern und -tänzern, mehr als ein Unterhalter und auch mehr als der Herr über ein Wanderbordell. Ja, ja, sonnenklar. Aber was mehr? Teufel? Engel? Gott? Timoteo las in meinen Augen,daß ich an Dionisio dachte, und fuhr mir wütend an die Gurgel. Die Männer waren eifersüchtig auf ihn, aber alle gaben zu: ›Ohne ihn gibt es kein Fest.‹ Kaum erschien er und baute seinen Stand auf, eilten sie zu ihm, um ihm viertelliterweise Pisco abzukaufen und mit ihm anzustoßen. ›Ich habe sie erzogen‹, sagte Dionisio. ›Vorher haben sie sich mit Chicha, Bier oder Zuckerrohrschnaps vergiftet und jetzt mit Pisco, dem Getränk der Gekrönten und der Seraphim.‹
    Ich erfuhr etwas mehr über ihn von einer Ayacuchanerin aus Huancasancos. Sie war eine seiner Verrückten gewesen und hatte die Truppe später verlassen. Sie kam als Frau eines Steigers des Bergwerks Santa Rita hierher, mehr oder weniger zu der Zeit, als dieser pishtaco Juan Apaza ausdörrte. Wir freundeten uns an, wir gingen gemeinsam die Wäsche am Bett des Sturzbachs waschen, und eines Tages fragte ich sie, warum sie so viele Narben habe. Da hat sie es mir erzählt. Sie war lange Zeit mit Dionisios Truppe durch die Welt gezogen, hatte unter freiem Himmel geschlafen, dort, wo die Nacht sie überraschte, in dichtem Durcheinander, um die Kälte auszuhalten, von Fest zu Fest, von Markt zu Markt, und hatte von der Mildtätigkeit der Marktbesucher gelebt. Wenn sie unter sich feierten, fern von den Blicken der anderen, verfielen die Angehörigen der Truppe in einen Zustand der Raserei. Oder, wie Dionisio sagte, sie waren bei ihrem Tier. Von der Liebe gingen die verrückten Weiber zu Schlägen über. Von Liebkosungen zu Kratzern, vonKüssen zu Bissen, von Umarmungen zu Gezerre, ohne mit dem Tanzen aufzuhören. ›Tat dir das denn nicht weh, mamita ?‹ ›Es tat mir hinterher weh, mamay ; mit der Musik, dem Tanz und dem Rausch war es wunderbar. Die Sorgen verschwanden, das Herz klopfte heftig, und du fühltest, du warst Turmfalke, Molle-Baum, Berghang, Kondor, Fluß. Bis zu den Sternen stiegen wir beim Tanzen empor, wenn wir uns liebten oder wenn wir uns schlugen.‹ ›Warum hast du sie verlassen, wenn es dir so

Weitere Kostenlose Bücher