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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Was gilt dir der Name, den ich von vielen Generationen vor mir übernommen habe, schuldenlos übernommen. Schulden sind nichts Lächerliches für mich!»
    Und während sie ihn verständnislos ansah, machte er jäh kehrt und verließ das Zimmer.
    In seinen Schläfen klopfte es wie Hammerschläge, und ein Gedanke jagte den anderen.
    Verabscheuen? Hassen? Ja, das stimmt wahrhaftig. Aber wäre ich wirklich froh, wenn sie morgen stürbe? Mein Gott, ja! Ich würde mich fühlen wie ein Mann, vor dem sich die Gefängnistore auftun. Was für eine verdrehte, scheußliche Angelegenheit das Leben doch ist! Als ich sie zum ersten Mal erblickte, ach, wie ein anbetungswürdiges Kind sah sie aus. So blond, so licht, so lieblich…! Blöder junger Narr! Ich war verrückt, verzehrte mich in Sehnsucht nach ihr. Sie schien der Inbegriff von allem Süßen und Reinen zu sein, und die ganze Zeit über war sie, wie sie heute ist: gewöhnlich, lasterhaft, gehässig, hohlköpfig. Nicht einmal ihre Lieblichkeit berührt mich heute noch.
    Er pfiff, und ein Spaniel tobte heran, der mit treuen Augen zu ihm emporschaute.
    «Gute, alte Betsy», sagte Stephen, indem er die langen Ohren tätschelte. «Ein Hund wie du, Betsy, ist mehr wert als fast sämtliche Frauen, die mir begegnet sind.» Und einen alten Hut auf den Kopf stülpend, verließ er in Gesellschaft des vierbeinigen Freundes das Haus.
    Der ziellose Rundgang durch seinen Besitz begann seine gepeinigten Nerven allmählich zu beruhigen. Er streichelte den Hals seines Lieblingspferdes, wechselte ein paar Worte mit dem Stallknecht, ging dann zum Wirtschaftshof, wo er ein Schwätzchen mit der Frau des Pächters hielt, und als er, Betsy dicht auf den Fersen, einen schmalen Weg entlangspazierte, traf er Venetia Kerr auf einer braunen Stute.
    Zu Pferde sah Venetia am besten aus. Lord Horbury blickte mit Bewunderung, Zärtlichkeit und einem seltsamen Gefühl des Geborgenseins zu ihr empor.
    «Guten Morgen, Venetia. Warst du draußen auf der Koppel?»
    «Ja. Wie gefällt dir meine Braune?»
    «Prächtig. Hast du den Zweijährigen gesehen, den ich von Chattisley gekauft habe?»
    Fünf Minuten lang unterhielten sie sich über Pferde. Dann sagte er unvermittelt:
    «Cicely ist hier.»
    «Hier in Horbury?» Es gelang Venetia nicht ganz, ihre Überraschung zu verbergen.
    «Ja. Diese Nacht traf sie ein.»
    Nun wurde es still zwischen ihnen. Venetia spielte versonnen mit den Zügeln ihres Pferdes, und Stephen Horbury verfolgte mit den Augen den Zickzackflug eines gelben Falters.
    «Du warst ja bei der Verhandlung, Venetia», begann er, eigentümlich gepresst. «Wie… verlief sie?»
    Sie überlegte einen Moment.
    «Ziemlich nichtssagend.»
    «Und die Polizei ließ nicht irgendetwas durchblicken?»
    «Nein.»
    «Muss unangenehm für dich gewesen sein, wie?»
    «Ein Genuss bestimmt nicht, Stephen. Aber der Vorsitzende benahm sich ganz anständig.»
    Stephen Horbury riss ein Blatt von der Hecke ab.
    «Hast du einen Verdacht, wer der Täter sein könnte?»
    «Nein», entgegnete Venetia Kerr und machte eine Pause, weil sie nach Worten suchte, die am besten und taktvollsten das ausdrückten, was sie zu sagen wünschte. Und schließlich brachte sie es mit einem kleinen Lachen vor. «Cicely oder ich waren es jedenfalls nicht. Das weiß ich. Sie würde mich und ich sie entdeckt haben.»
    Stephen lachte ebenfalls.
    «Dann ist ja alles in Ordnung», meinte er fröhlich. Es sollte wie ein Scherz klingen, doch ihr entging die Erleichterung in seiner Stimme nicht. Also hatte er gedacht…
    «Wir beide kennen uns doch eigentlich schon sehr lange, Venetia», fing er von neuem an.
    «O ja. Entsinnst du dich noch der schrecklichen Tanzstunden, mit denen man uns Kinder plagte?»
    «Natürlich. Sag, Venetia, war Cicely mit dieser Giselle irgendwie bekannt?» Stephens Blick ruhte forschend auf Miss Kerr.
    «Ich weiß es nicht. Ich war ja im Süden Frankreichs und habe den Klatsch aus Le Pinet noch nicht erfahren.»
    «Was denkst du denn?»
    «Erstaunen würde es mich nicht.» Und als Stephen nickte, setzte sie freundlich hinzu: «Musst du dir darüber den Kopf zerbrechen? Ihr führt zwei ziemlich getrennte Leben. Das ist doch ihre Angelegenheit, nicht deine.»
    «Solange sie meine Frau ist, geht es auch mich an.»
    «Würdest du, wenn du die Möglichkeit hättest, dich scheiden lassen?»
    «Wenn ich einen stichhaltigen Grund hätte, unbedingt.»
    «Das weiß sie wohl auch», meinte Venetia Kerr nachdenklich.
    «Ja.»
    Sie

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