Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
Vom Netzwerk:
Festtage verbracht wurden. Es
waren überlieferte Gepflogenheiten, nichts Spektakuläres, jedes Jahr das
Gleiche, aber keiner mochte es missen.
    Als Christoph mit seiner Schilderung fertig war, herrschte
eine Weile Stille im Raum. Ganz schwach, durch die schon geschlossene
Schneedecke wie in Watte gehüllt, drang der dünne Geräuschpegel der Straße in
ihre Welt.
    Unaufgefordert, mit leiser Stimme, erinnerte sich
Mommsen an die Tage seiner Kindheit, an fröhliche, unbeschwerte Weihnachtstage
in dem kleinen Dorf hinter dem Deich.
    »Aber das ist Vergangenheit. Heute feiere ich
Weihnachten mit Karlchen«, schloss er seine Erzählung.
    Christoph und Mommsen sahen Große Jäger an, der
scheinbar teilnahmslos den Erzählungen seiner Kollegen gefolgt war, aber keine
Anstalten machte, auch etwas zu diesem schwermütig machenden Thema
beizusteuern. Stattdessen starrte er gebannt auf seine schmutzige
Schreibtischunterlage.
    »Und du, Wilderich, wie verbringst du die Feiertage?«,
unternahm Christoph einen Vorstoß.
    Große Jäger sah auf. Sein starrer, ausdrucksloser
Blick streifte ihn irritiert. Der Adamsapfel bewegte sich während des
Schluckens heftig auf und ab. Ganz langsam öffnete der so grob wirkende Mann
den Mund, aber es kamen keine Worte über seine Lippen.
    Plötzlich hob er seine rechte Hand, streckte den
Mittelfinger in die Höhe, zeigte jene Gebärde, die in diesem Augenblick doch
nichts anderes als ein Zeichen seiner Hilflosigkeit war, und murmelte mehr zu
sich selbst: »Ach, Scheiße, ich gehe in den Puff!«
    Es klopfte, fast gleichzeitig wurde die Tür geöffnet,
und ein uniformierter Kollege führte Mehmet Yildiz herein. Nur wenig später
folgte von Dirschau.
    Dieser blieb wie angewurzelt auf der Türschwelle
stehen, als er den ehemaligen Freund seines Sohnes sah. Doch er fasste sich
relativ schnell. Sein typisches überlegenes Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Dann trat er ein, nickte Yildiz kurz zu und nahm wortlos den ihm zugewiesenen
Platz vor Christophs Schreibtisch ein.
    In wenigen Sätzen erläuterte Christoph die
Ausgangssituation und konfrontierte Yildiz mit der Anschuldigung, die der
Gutsbesitzer gegen ihn erhoben hatte.
    Mehmet Yildiz holte tief Luft. Seine Empörung war ihm
deutlich anzusehen.
    »Das ist nicht wahr! Ich habe nie ein Auto benutzt!
Weder das fremde noch eines der Autos der Familie von Dirschau. Ich kann nicht
Auto fahren. Ich sagte bereits: Ich kann nicht Auto fahren.«
    Von Dirschau hatte seine Augen zu schmalen Schlitzen
verengt. Es war den Kriminalbeamten nicht möglich, seine Reaktion anhand der
Bewegung der Pupillen zu erkennen.
    »Sie bringen schwere Anschuldigungen gegen Herrn
Yildiz vor. Können Sie diese beweisen?«, wollte Christoph von dem Gutsbesitzer
wissen.
    »Reicht nicht das Wort eines deutschen Ehrenmannes?«
    Während Christoph den Kopf schüttelte, machte sich
Große Jäger durch ein durchdringendes verächtliches Schnauben bemerkbar.
    »Nein«, gab Christoph zur Antwort, »hier zählen nur
Tatsachen.«
    Von Dirschau zuckte mit den Schultern. »Dann ist es
Ihr Problem, diese Fakten herbeizuschaffen.«
    Christoph ging noch einmal auf die Tatwaffe ein. Er
hielt dem Gutsbesitzer vor, den Beamten zuerst eine Lüge aufgetischt zu haben,
als er nach der Frage zum Verbleib des Siebenereisens aus seinem Golfbag
behauptet hatte, er hätte diesen Schläger verloren. Erst später hätte er seine
Aussage korrigiert und die Geschichte von der angeblichen Mäusejagd in der
Garage erzählt.
    Yildiz war vor Erregung aufgesprungen. Mit hochrotem
Kopf stand er vor dem Schreibtisch, schlug die Hände vors Gesicht und
schluchzte, dabei immer wieder vor sich hin jammernd: »Ich war es doch nicht!
Warum glaubt mir denn keiner!«
    Ungefragt mischte sich von Dirschau ein, die
Nervenanspannung seines Gegenübers ausnutzend. »Sehen Sie! Da winselt dieser
Mensch, spielt hier den Unschuldigen, windet sich wie das Opfer und hat
kaltblütig zwei junge Leben ausgelöscht.«
    Der Gutsbesitzer wandte den Kopf zur Seite. Er machte
eine theatralische Geste, als wolle er ausspeien.
    Yildiz hatte sich wieder rückwärts auf seinen
Platz fallen lassen. Sein Gesicht war immer noch hinter den gepflegten Händen
verborgen. Er sprach nicht.
    Christoph war aufgestanden und ans Fenster getreten.
Den beiden Hauptverdächtigen wandte er den Rücken zu. Er sah aus dem Fenster,
an dessen Ecken der Wind den immer heftiger fallenden Schnee zu kleinen
Verwehungen hochgewirbelt hatte.
    Unwillkürlich

Weitere Kostenlose Bücher