Tod in der Marsch
durchgeführt worden waren. Das hieß,
Tatort und Fundort waren nicht identisch. Außerdem musste der Gegenstand, mit
dem die Frau erschlagen worden war, mit Erde in Berührung gekommen sein.
Und dann gab es noch die drei ganz großen
Fragezeichen: Wer war der geheimnisvolle Türke ? Was war das Motiv? Wo
war das Kind?
»Ohne weiteren Untersuchungsergebnissen vorweg greifen
zu wollen«, resümierte Große Jäger, »können wir doch vermuten, dass die Tote
nicht vergewaltigt worden ist. Erstens fehlen Anzeichen von äußerer Gewalt,
ferner war der Popelinmantel, den die Tote trug, als wir sie fanden,
zugeknöpft. Kein Sexualstraftäter würde sein Opfer nach der Tat wieder
ankleiden.«
»Richtig«, nahm Christoph diesen Gedanken auf. »Also
muss der Verkehr vor ihrem Tod stattgefunden haben. Höchstwahrscheinlich
freiwillig. Dann hat sie sich wieder angezogen, den Mantel zugeknöpft und sich
ins Freie begeben. Dort wurde sie dann erschlagen. Dafür könnten auch die
Erdreste sprechen, die das unbekannte Tatwerkzeug am Kopf des Opfers
hinterließ. Verdammt noch einmal!« Er schlug mit der rechten Faust in die linke
Hand. »Was ist das für ein Gegenstand, der dünn und aus Metall ist, relativ
sauber, nicht rostend und trotzdem Erdspuren aufweist? Und dann fehlt uns immer
noch jeder Hinweis auf das Mädchen. Ich habe ein ungutes Gefühl. Wir sollten
vielleicht …«
Christoph sprach den Satz nicht zu Ende, sondern
führte ein Telefongespräch, das per Lautsprecher in den Raum übertragen wurde.
»Ich habe Ihnen bereits heute Mittag gesagt, die
Federführung hat meine Mordkommission«, hörten sie die arrogante Stimme von Dr.
Starke. »Wieso maßen Sie sich die Kompetenz an, solche Vorschläge aufgrund
vager Vermutungen in den Raum zu stellen? Wenn Sie sich auf die Ihnen
zugewiesenen Aufgaben konzentrieren würden, wäre allen geholfen.«
»Arschloch!« Große Jäger legte seinen ganzen
aufgestauten Zorn in dieses einzige Wort, das er laut in den Raum
hinausposaunte.
Einen Augenblick war Stille in der Telefonleitung, bis
sich schließlich die Stimme des entfernten Vorgesetzten vernehmen ließ: » Herr Große Jäger. Das wird ein Nachspiel haben!«
Dann knackte es in der Leitung. Der Oberkommissar
streckte den Mittelfinger seiner rechten Hand in Richtung Telefon. »Du mich
auch!«
Wenige Augenblicke später saß Christoph Grothe
gegenüber.
»Chef«, begann Christoph, »wir haben da ein Problem.
Ich habe mit meinem Vorgesetzten, Dr. Starke, gesprochen, und wollte eine
Razzia veranlassen. Wir suchen immer noch das kleine Mädchen. Um ganz
sicherzugehen, möchte ich gern die Gegend um den Fundort der Toten absuchen
lassen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, aber wir möchten sichergehen. Dr.
Starke hat mich abblitzen lassen. Können Sie mir helfen?«
Die kleinen Schweinsäugelein seines Gegenübers
blinzelten fast bösartig unter den buschigen Augenbrauen. »Starke ist ein
Dummschwätzer ohne jede Erfahrung«, polterte Grothe los. »Ich habe fast vierzig
Jahre Praxis auf dem Buckel, während dieser Nichtsnutz glaubt, mit ein paar
Semestern Jura alle Dinge dieser Welt verstehen zu können. Haben Sie schon
einmal einen Juristen erlebt, der etwas organisieren kann?« Grothe wies mit dem
Finger auf sich. »Als Sie hier anfingen, habe ich Ihnen versprochen, dass ich
für Sie da bin, wenn Sie Unterstützung benötigen.« Es klang fast zornig, als er
fortfuhr. »Ich kümmere mich darum. Sie müssen nichts weiter unternehmen.« Er
sah auf die Uhr. »Allerdings bringt es uns heute nicht mehr weiter. Es dämmert
bereits. Um diese Zeit«, er deutete in Richtung Fenster, »und bei dieser
Bewölkung sehen Sie nichts mehr. Gleich morgen, wenn es hell genug ist, führen
wir eine Razzia durch. Zwar nur mit Bordmitteln, aber das ist versprochen.«
Christoph wollte sich bedanken, aber Grothe hatte
sich, wie es seine Art war, schon wieder seiner Arbeit zugewandt und das
Gespräch ohne weiteren Kommentar als beendet angesehen.
»So sind Dithmarscher Bauernsöhne nun einmal«, glaubte
ihn Christoph vor sich hinbrummeln zu hören.
*
Am späten Nachmittag, jene Zeit des Tages, zu der
Landpostämter gerade wieder für eine knappe Zeitspanne ihre Tore öffneten,
Pensionäre ihre Mittagsruhe beendeten und Krankenhäuser schon fast wieder mit
der Verteilung des Abendessens begannen.
Sie waren auf dem Weg nach Marschenbüll. Große Jäger
hatte noch wegen eines Diebstahles einen abschließenden Bericht zu schreiben.
Christoph hatte ihm
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