Tod in der Marsch
legte eine kleine Kunstpause ein, bevor
sie mit der Antwort herausrückte.
»Der … ähhh … Peter Dahl war nicht der Mann, von dem
die Spermaspuren stammen.«
Christoph bedankte sich für die Information und
beendete das Gespräch.
»Die gute Frau ist nicht von hier«, merkte Große Jäger
an, »so wortreich wie die uns diese eine kleine Information zu übermitteln
versuchte.«
Die Scheinwerfer tasteten sich noch einmal durch das
Nichts der weiten Marschenlandschaft, als nach einer engen Kurve das gelbe
Ortsschild auftauchte. Die wenigen Lampen warfen ein dünnes Licht auf die
gewundene Dorfstraße. Die Häuser standen weit auseinander, begrenzt von
Vorgärten, die im Dezember nur eine Ahnung davon vermitteln konnten, wie
liebevoll sie während der Sommermonate gepflegt wurden.
Das diffuse Zwielicht der langen Dämmerung befand sich
in der Zielgeraden zur Nacht. In den Fenstern brannten Lichtbögen, elektrische
Leuchter und Girlanden, die auf das bevorstehende Weihnachtsfest hinwiesen. Der
erleuchtete Christbaum vor der Kirche war der Mittelpunkt dieser ruhigen und
beschaulichen Welt.
Ein Geschäft gab es in diesem Ort schon seit langem
nicht mehr. Sie mussten eine Weile suchen, bis sie das einfache, ältere Haus
mit den landschaftstypischen roten Klinkern gefunden hatten, die Adresse des
älteren Herrn, der die Tote entdeckt hatte.
Sie waren noch mit Parken und Aussteigen beschäftigt,
als ihnen schon geöffnet wurde. Eine weißhaarige Frau stand in der aus dem
Hintergrund erleuchteten Eingangstür, wischte sich die Hände an der
Kittelschürze ab und sagte freundlich: »Sie sind von der Polizei. Schrecklich,
was passiert ist. Kommen Sie bitte mit in die Stube. Mein Mann hat Sie schon
den ganzen Tag erwartet.«
Mit einer Decke über den Knien begrüßte sie ihr Mann.
Auf die Frage, ob es ihm schon wieder besser ginge, antwortete er, dass er sich
vom ersten Schock erholt habe.
»Ich war mit unserem Hund unterwegs. Der ist
inzwischen auch in die Jahre gekommen, genauso wie ich. Normalerweise gehe ich
bei diesem Wetter nie so weit. Das Rheuma, müssen Sie wissen.« Wie zur
Erklärung strich er mit der flachen Hand über die Decke.
»Der Karl«, bei diesem Wort hob ein vor der Heizung
zusammengerollter Schäferhund müde seinen Kopf, um sich gleich darauf wieder
mit lang gestreckten Pfoten behaglich einzurichten, »stöberte überall herum,
bis wir zu der Stelle kamen. Er ist sonst ein folgsamer Hund, aber gestern ließ
er sich durch nichts von diesem Platz an der Böschung abbringen. Nun ja«,
zögerte er, »warum, wissen Sie ja selbst.«
Bei der Erinnerung daran lief ihm ein Schauder durch
den Körper.
»Ich habe zuerst gar nichts erkennen können. Erst beim
näheren Hinschauen habe ich bemerkt, dass dort ein Mensch lag und sich nicht
rührte. Mit dem Kopf im Wasser. Tot.«
»Woher haben Sie denn gewusst, dass dort ein Toter
lag?«, wollte Große Jäger wissen.
»Das sieht man«, war die einfache Erklärung, die
weiter zu hinterfragen wohl sinnlos gewesen wäre.
Umständlich erklärte der Mann, warum er ausgerechnet
gestern einen für seine Verhältnisse weiten Spaziergang zurückgelegt hatte.
»Diese Wiesen und Weiden gehören dem von Dirschau,
beziehungsweise er hat sie hinzugepachtet. Und der mag es nicht so gern, wenn
man über seine Weide trampelt. Die Leute aus dem Dorf hier wissen und
respektieren das.«
»Wer ist von Dirschau?«, wollte Christoph wissen.
Anstelle einer direkten Antwort erklärte der Alte: »Ich habe mein Land auch an ihn verpachtet und ihm die Milchquote übertragen.«
Er blickte auf seine Frau, die schweigend dem Gespräch beigewohnt hatte. »Davon
genießen wir beide jetzt unser Altenteil.« Dann besann er sich darauf, dass ihm
eine Frage gestellt worden war. »Von Dirschau ist der größte Bauer hier im
Dorf. Er wohnt in dem großen etwas zurückliegenden Haus am Ende des Dorfes.«
Christoph wollte wissen, ob der Mann inzwischen
erfahren habe, wer die Tote ist.
»Ja, das ist natürlich Gespräch im ganzen Dorf. Ich
bin vor fast siebzig Jahren hier in diesem Haus geboren. Aber so etwas«, dabei
schüttelte zur Bekräftigung seiner Aussage den Kopf, »hat es hier noch nie
gegeben. Wir haben hier nicht einmal einen Polizisten. Den brauchen wir auch
nicht.«
Er sah seine Frau an, die ihm durch ein stummes Nicken
zustimmte.
»Ja, die Anne, die ist von hier. Die ist hier groß
geworden.« Er wies mit dem Finger auf das Fenster, hinter dessen Dunkelheit
nichts zu erkennen
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