Tod in der Marsch
vorgeschlagen, er könne ja nachkommen. Aber der
Oberkommissar hatte abgelehnt. Er würde lieber gleich mitfahren.
Mommsen hatte sich ans Steuer gesetzt. Am Ende der
Poggenburgstraße, in der sich ihre Dienststelle befand, bogen sie links ab und
unterquerten den Bahndamm. Mommsen folgte der Wilhelmstraße, die sich durch den
Vorort Rödemis schlängelte.
»Du hättest gleich in die Simonsberger einbiegen
können«, knurrte Große Jäger vom Rücksitz, »dann hättste dir die Bundesstraße
gespart.«
»Das nimmt sich nichts«, beharrte Mommsen auf dem von
ihm gewählten Weg und fädelte sich hinter dem Ortsausgang in die Kolonne auf
der B5 ein. Nach kurzer Fahrt auf der um diese Tageszeit gut ausgelasteten
Hauptstraße bog er am Schild »Simonsberg« nach rechts ab. Die schmale Straße
führte wie mit dem Lineal gezogen durch die zu dieser Jahreszeit trist
aussehenden Wiesen. Im Sommer, wenn das Licht des Nordens besonders klar ist,
finden sich auch die schwarzbunten Kühe als Farbtupfer auf den Weiden. Aber
jetzt, im Dezember, war alles in ein trübes Grau getaucht.
Die wenigen Fahrzeuge, die ihnen entgegenkamen, hatten
die Beleuchtung eingeschaltet. Sie durchquerten Simonsberg, die kleine
Sommerfrische, und Mommsen zeigte auf ein weißes Hinweisschild mit der
Aufschrift »Roter Haubarg«.
»Kennen Sie den?«, fragte er.
»Ich habe davon gehört«, gab Christoph zurück.
Mommsen erklärte: »›Haubarg‹ kommt von ›Heu bergen‹.
Es sind Gebäude, die die Holländer in Eiderstedt eingeführt haben. Große
Häuser, die alles unter einem Dach vereinen, die Wohn- und Wirtschaftsgebäude
des Hofes ebenso wie die Stallungen. Sie sind strohgedeckt. Der ›Rote Haubarg‹
ist der größte noch erhaltene Bau und dient heute als Restaurant und Museum. Er
liegt in Witzwort.«
»Wo? Witzwort?«, fragte Christopf irritiert.
Mommsen lachte laut auf. »Das ist ein Dorf«, erklärte
er.
Das Telefon läutete. Christoph nahm das Gespräch über
die Freisprecheinrichtung an.
»Johannes«, meldete er sich.
»Spreche ich mit Hauptkommissar Johannes von der
Dienststelle Husum?«, fragte eine dünne Frauenstimme.
»Ja, am Apparat.«
»Braun vom LKA
KT NW «, nannte die Anruferin Namen und Dienststelle.
Christoph sah, wie Mommsen fragend eine Augenbraue
hochzog.
»Landeskriminalamt, Dezernat für Kriminaltechnik und
Erkennungsdienst. NW steht für
naturwissenschaftliche Kriminaltechnik«, klärte ihn Christoph flüsternd auf.
»… die Kieler Cracks mit ihren tollen Abkürzungen«,
moserte Große Jäger von der Rückbank dazwischen.
»Es war sehr kompliziert, Sie zu erreichen«, stellte
Frau Braun fest.
»Wir sind im Außendienst«, erwiderte Christoph.
»Trotzdem«, beharrte die Frau. »Es war sehr schwierig,
bis zu Ihnen durchzukommen. Ich rufe aus dem Labor in Kiel an.«
»… das hast du uns schon gesagt, Mädchen«, kam es
brummend aus dem Fond.
»Es geht um die Analyse im Todesfall zum Nachteil der
Anne Dahl.«
»Warum müssen Frauen so kompliziert sein«, stöhnte
Große Jäger. »Warum sagt sie nicht einfach: Es geht um die ermordete Anne
Dahl.«
»Weil die Kieler Kollegin die formelle Bezeichnung
gewählt hat«, klärte ihn Mommsen auf.
»Schscht«, unterbrach Christoph das Getuschel seiner
beiden Begleiter. Dann fragte er laut über die Freisprecheinrichtung: »Sie
meinen, die Spermaspuren, die bei der Toten gefunden wurden.«
»Richtig!«
»Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?« Langsam
ging auch Christoph die umständliche Art der Frau Braun auf die Nerven. Statt
ihm das Analyseergebnis zu nennen, versuchte sie erst einmal Lob zu erheischen.
»Wir haben uns in diesem Fall besonders beeilt, obwohl
wir über alle Maßen ausgelastet sind.«
»Frau Braun –«, setzte Christoph an, wurde aber
unterbrochen.
»Dr. Braun, bitte«, kam es aus dem Lautsprecher.
Christoph holte tief Luft. »Frau Dr. Braun! Wir sind
Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie so ungewöhnlich schnell reagiert haben.
Ohne Ihre zügige Arbeit würden unsere Ermittlungen nur halb so schnell
vorankommen. Was hat die Analyse ergeben?«
»Wir haben die bei der Frau gefundenen Spermaspuren
mit der ebenfalls eingesandten Gegenprobe des …« Sie hörten Papier rascheln.
»Peter Dahl, das ist der Ehemann!«, half Christoph
nach.
»Richtig! Wir haben also die beiden Spuren miteinander
verglichen.«
Christoph wollte laut aufstöhnen, unterdrückte es
aber. »Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?«
Frau Dr. Braun
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