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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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zurück, sodass der Kopf sichtbar
wurde. Man hatte die Tote so hergerichtet, dass der Kopf in einer Tuchmulde lag
und nur das Gesicht zu erkennen war. Gegenüber dem Bild, das sich Christoph
gestern geboten hatte, sah Anne Dahl heute fast friedlich aus. Sie war für
diese Identifizierung zurechtgemacht worden; jemand hatte ihr die Augen
geschlossen. Es wirkte fast so, als schliefe sie.
    »Ist das Ihre Frau?«, fragte Christoph leise.
    Dahl starrte auf das Antlitz der Toten. Dann nickte er
stumm.
    »Anne«, kam es tonlos über seine Lippen.
    Der Pathologe nahm Christoph zur Seite.
    »Da ist noch etwas, das Sie vielleicht wissen sollten.
Die Frau war kurz vor ihrem Tod mit einem Mann zusammen. Wir haben außerdem
Hautpartikel unter den Nägeln der linken Hand gefunden. Das Ganze werden wir
zur gentechnischen Untersuchung nach Kiel schicken. Es wäre ideal, wenn wir vom
Ehemann auch gleich eine Probe zur Analyse mit einsenden könnten. Glauben Sie,
dass wir ihn in seinem Zustand dazu bewegen können?«
    Der völlig apathische Mann hatte keine Einwände gegen
eine Probenentnahme.
    Auf der Rückfahrt weinte Dahl hemmungslos. Er machte
sich nicht die Mühe, seine Tränen, die von heftigem Schluchzen begleitet
wurden, zu unterdrücken. Urplötzlich richtete er sich im Sitz auf.
    »Wo ist meine Tochter? Ich will meine Tochter
wiederhaben!«
    *
    Im Büro saß an Christophs Schreibtisch ein
durchgestylter Mittdreißiger und blätterte in den Unterlagen. Große Jäger und
Mommsen hatten sich in eigene Papiere vertieft und blickten kaum auf, als
Christoph den Raum betrat.
    Das smarte Lächeln des Mannes ließ zwei Reihen
blendend weißer Zähne inmitten eines gebräunten Gesichtes zum Vorschein kommen.
Der moderne Kurzhaarschnitt und die farblich gut abgestimmte Kleidung passten
zum sonstigen Erscheinungsbild.
    Der Mann reichte Christoph eine schmale Pianistenhand
und begrüßte ihn mit einem lauen Händedruck. »Starke«, stellte er sich vor.
    Christoph hatte bereits einige Male mit ihm
telefoniert, seit er nach Husum versetzt worden war: Kriminalrat Dr. Starke von
der Bereichskriminalinspektion Flensburg und somit der unmittelbare Vorgesetzte
der hiesigen Dienststelle.
    Die Stimme klang von oben herab. »Da Sie es ja nicht
für nötig befunden haben, Ihre vorgesetzte Dienststelle aufzusuchen, habe ich
mich auf den Weg gemacht, obwohl meine Zeit äußerst knapp bemessen ist.«
    »Ihnen ist die personelle Situation hier vor Ort
sicher auch nicht unbekannt«, entgegnete Christoph, »die für
Höflichkeitsbesuche leider keinen Raum lässt.«
    Starkes Adamsapfel hüpfte auf und ab, einen kurzen
Augenblick sah es aus, als würde er unter dem ebenmäßigen braunen Teint blass
werden. Die bisherigen telefonischen Kontakte hatten sich leider als wenig konstruktiv
erwiesen. Der Kriminalrat, aufgrund seiner akademischen Ausbildung in die
höhere Laufbahn gehievt und bar jeder Praxiserfahrung, liebte es, die
Hierarchie im deutschen Beamtenwesen herauszustellen. Er hatte nie einen
Zweifel daran gelassen, wer welche Position innehatte.
    »Ich habe Sie aufgesucht, weil die Dienststelle unter
Ihrer Leitung eine unbefriedigende Aufklärungsquote aufweist«, griff der
Kriminalrat Christoph in Gegenwart der beiden Mitarbeiter an.
    »Da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Nach meinem
Wissensstand sind wir sogar besser als der Landesdurchschnitt. Und das, obwohl
wir chronisch unterbesetzt sind«, entgegnete Christoph auf den Vorwurf.
    Dr. Starke wischte ärgerlich mit der Hand durch die
Luft. »Solche Vergleiche müssen Sie in der richtigen Relation sehen. Die Gegend
ist dünn besiedelt und auch sonst, na ja …«, ließ er seine Einschätzung von
Nordfriesland offen. »Da ist es viel einfacher, die weniger komplizierten
Fälle, die Sie und Ihre Mitarbeiter zu bearbeiten haben, erfolgreich abzuschließen.
Sie dürfen nicht von den nackten Statistikwerten ausgehen. Nicht die Zahlen
sind entscheidend, sondern die Komplexität der Fälle.«
    »Sie haben uns aber anhand der Fallzahlen mangelnde
Einsatzbereitschaft vorgehalten. Darauf stützt sich doch Ihr Vorwurf, wir
würden hier vor Ort keine gute Arbeit leisten«, warf ihm Christoph vor.
    »Ich habe mich eingehend mit der Kriminalwissenschaft
befasst und, was Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, nicht nur Jura studiert.
Gehen Sie davon aus, dass mir eine Beurteilung Ihrer Leistungen und die der
anderen Mitarbeiter durchaus möglich ist. Ich vermag sehr wohl zu erkennen,
welcher Aufwand hinter der

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