Tod in der Marsch
spontan.
»Kennen Sie hier im Dorf einen Türken ?«,
wechselte Christoph abrupt das Thema.
Von Dirschau schien in sich hineinzulächeln. »Hier
leben bodenständige Menschen. Es gibt hier keine Ausländer. Einen Einwohner mit türkischer Staatsangehörigkeit kenne ich nicht in Marschenbüll.«
Christoph hatte sich dem nun geschlossenen Kipptor vor
der Doppelgarage zugewandt. »Sind das Ihre Autos? Einschließlich des
Geländewagens vor dem Wohnhaus?«
»Ja! Ist das verboten?« Von Dirschau hatte sich wieder
gefangen. »Alle versichert und versteuert.«
»Und Golf spielen Sie auch?«, wollte Christoph wissen.
Der Gutsbesitzer hielt einen Moment inne. Gedehnt gab
er schließlich zurück: »Das sollten Sie auch einmal probieren. Es entspannt
hervorragend, motiviert und fördert nicht nur die Konzentration, sondern auch
den Willen zu siegen. Gegen sich selbst.« Nach einer kleinen Pause ergänzte er: »Und gegen andere.«
Für diesmal war damit die Unterredung beendet. Die
beiden Kriminalbeamten durchquerten erneut das Dorf. In der Ortsmitte, auf dem
gepflasterten Platz vor dem Dorfkrug, stand eine kleine Gruppe von
Einheimischen und steckte die Köpfe zusammen. Als sie langsam vorbeifuhren,
folgten ihnen neugierige Blicke. Das Ganze glich einer Gänseschar, die ihre langen Hälse begierig jedem Unbekannten entgegenstreckt.
Ohne Mühe fanden sie das Haus aus rotem, von der rauen
Witterung leicht angenagtem Backstein, in dem Frieder Brehm wohnte. Es war wohl
ursprünglich einmal die Unterkunft eines Landarbeiters gewesen, aber im Laufe
der Jahrzehnte war immer wieder einmal etwas an- oder umgebaut worden.
Beim Aussteigen gewahrten sie, wie sich im Nachbarhaus
die Gardinen vorsichtig bewegten.
Neben dem kleinen hölzernen Vorbau des Hauses von
Brehm, der als Windfang diente, stand ein Kombi.
Noch bevor sie die Klingel betätigen konnten, wurde
die Tür geöffnet. Eine unscheinbare Mittdreißigerin, die aussah, als wäre sie
das Arbeiten gewohnt, stand im Türrahmen, wischte sich verlegen die Hände an
der Schürze ab und sagte schüchtern: »Kommen Sie doch bitte herein.«
Sie folgten ihr durch einen spärlich beleuchteten
Flur, an dessen Wand eine Garderobe angebracht war, bunt durcheinander mit
Winterkleidung für Erwachsene und Kinder behängt. Die Frau führte sie in ein
kleines Wohnzimmer mit Blümchentapete, das zwar sehr plüschig eingerichtet war,
aber trotzdem einen Hauch Behaglichkeit ausstrahlte.
Ein rundlicher Mann mit Stirnglatze stand aus einem
Sessel auf und machte einen Schritt auf sie zu. Er streckte ihnen eine
fleischige Hand entgegen. Sie fühlte sich feucht an. »Brehm«, stellte er sich
zaghaft vor und deutete eine Verbeugung an.
»Herr Brehm, wir sind von …«, wollte Christoph
erklären und fingerte nach seinem Ausweis, aber der Mann winkte ab, zeigte
stattdessen auf ein Sofa, in dessen Ecken ordentlich aufgestellte und in der
Mitte gefaltete Kissen lagen.
»Bitte«, sagte er leise. »Sie müssen mir nichts
erklären. Sie sind die Herren von der Polizei. Das ganze Dorf spricht von
nichts anderem.«
Er fischte umständlich ein großes Taschentuch aus
seiner Flanellhose und tupfte sich damit die Stirn. Er sah zur Zimmertür, in
der unschlüssig seine Frau stand.
»Kannst du uns einen Kaffee kochen?«, bat er sie.
Wortlos schloss Frau Brehm die Zimmertür hinter sich.
»Sie haben von dem Mord gehört?«, eröffnete Christoph
das Gespräch.
Brehm nickte.
»Leider haben wir noch nicht herausfinden können, wen
die junge Frau hier im Ort besucht hat. Deshalb befragen wir die Einwohner.«
Brehm nickte erneut zur Bestätigung.
»Kannten Sie Anne Dahl?«
Jetzt schüttelte der Mann heftig den Kopf. »Nein, wir
wohnen noch nicht so lange hier. Ich kenne fast niemanden aus dem Dorf.«
Jeder Einwohner, mit dem Christoph bisher gesprochen
hatte, war nahezu bemüht gewesen, die dörfliche Gemeinschaft zu betonen und das
Miteinander herauszustellen. Nun saß er jemandem gegenüber, der sich nicht in
die Dorfgemeinschaft eingebunden sah.
»Ich bin Handelsvertreter für eine Porzellanmanufaktur
in Norddeutschland. Deshalb bin ich auch so oft unterwegs.« Brehm sprach leise.
Inzwischen war seine Frau ins Zimmer zurückgekehrt und
hatte gemurmelt: »Der Kaffee ist aufgesetzt«, um sich dann auf die Kante eines
anderen Sessels in der Nähe ihres Mannes zu setzen.
Ein Blick von Christoph in ihre Richtung genügte, um
sie zur Ergänzung der Feststellung ihres Mannes zu veranlassen: »Ich kenne
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