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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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auch
kaum jemand aus dem Ort. Die Leute sind Neuhinzugezogenen gegenüber sehr
reserviert. Und da es auch kein Geschäft im Dorf gibt, wo man sich treffen
könnte, ergeben sich kaum Kontakte zu den anderen.«
    Ihr Mann sah sie an. »Und das ist auch gut so.« Er
hatte diese Worte mehr zu sich selbst gesprochen.
    »Haben Sie Frau Dahl jemals gesehen?«
    Das Ehepaar sah sich an. Die Frau antwortete
schließlich für beide: »Wir wissen gar nicht, wer das war. Wir wissen nicht,
wie sie überhaupt aussah. Insofern können wir auch nicht sagen, ob wir ihr
jemals begegnet sind.«
    »Gilt das auch für Sie, Herr Brehm?«, wollte Große
Jäger wissen.
    Brehm antwortete nicht sofort. Er spielte mit seinen
kurzen kräftigen Fingern, bis die Gelenke knackten, und murmelte schließlich: »Ja, das gilt auch für mich.«
    Aus dem oberen Stockwerk des Hauses war das Lärmen
kleiner Kinder zu hören.
    Frau Brehm stand auf. »Entschuldigung, ich glaube, ich
muss einmal nach den Kleinen sehen.«
    »Wir haben zwei kleine Mädchen, drei und vier Jahre
alt«, erklärte Brehm. »Sie sind unser ganzer Stolz. Der Mittelpunkt unserer
kleinen Welt.«
    Christoph sah den untersetzten Mann an, der völlig
harmlos aussah, fast schüchtern, aber doch mit einer nicht zu unterdrückenden
inneren Unruhe auf der Kante seines Sessels hin und her rutschte. Es fiel
schwer zu glauben, dass dieser Mann wegen Sexualdelikten vorbestraft war.
    Niemand hatte während des Gesprächs die Vergangenheit
erwähnt.
    »Keiner hier weiß um mein Vorleben«, schnitt Brehm
jetzt das Thema an. »Meine Frau und ich sind deshalb aufs Land gezogen, wo uns
keiner kennt. Ich bin seit meiner Haftentlassung beim gleichen Arbeitgeber
beschäftigt und habe mit der Gründung der Familie und dem Aufbau einer neuen
beruflichen Existenz ein anderes Leben angefangen. Wir leben hier in
bescheidenen, aber gesicherten Verhältnissen. Glauben Sie mir, ich würde das
Vergangene gern ungeschehen machen.«
    Er suchte mit seinem Blick einen imaginären Fixpunkt
irgendwo im Raum, um keinem der beiden Polizisten in die Augen sehen zu müssen.
    »Ich kann bis heute nicht sagen, was damals über mich
gekommen ist. Ich war nicht Herr meiner Sinne. Es war nicht mein Wille.«
    Er unterbrach seine Erklärungen, um sich erneut die
nasse Stirn abzutupfen.
    »Ich schäme mich unendlich. Und ich habe es bereut.«
Brehm schlug sich mit der Faust gegen die Brust. »Ich bin heute ein anderer,
ein Familienvater, der sich bemüht, seinen Kindern ein fürsorglicher Vater zu
sein, seiner Frau ein treuer Ehemann.« Er hielt wieder inne und blickte eine
Weile stumm ins Leere. »Und ich könnte es nicht ertragen, wenn meinen Kindern
irgendein Leid geschehen würde.«
    Die Stille in dem kleinen Zimmer wurde nur durch das
fortwährende Knacken der Fingergelenke Brehms unterbrochen.
    Ruhig, fast behutsam, musste Christoph nun die Frage
stellen, die dem Mann, der sich seiner Selbstdarstellung zum liebevollen und
beschützenden Vater und Ehemann gewandelt hatte, sicher hart treffen würde.
    »Herr Brehm, wir müssen bei unseren Ermittlungen allen
erdenklichen Spuren nachgehen. Können Sie uns sagen, wo sie am Nachmittag des
11. November waren?«
    Brehm zuckte bei dieser Frage zusammen. Er kroch
förmlich in sich selbst hinein. Ein Schimmer trat in seine Augen. Er suchte
seine Frau, die hinter der verschlossenen Zimmertür anderen Dingen nachging.
Gern hätte er sich jetzt hinter ihr versteckt, hätte ihre Nähe gebraucht.
Vielleicht hätte sie sogar die Antwort übernommen.
    So reagiert ein Tier, dachte Christoph und war über
sich selbst irritiert, in Verbindung mit diesem Mann an ein Tier zu denken, ein
Tier, das in eine Falle gelaufen ist und jetzt einen Ausweg sucht.
    Ganz langsam tröpfelten jetzt die Worte aus Brehms
Mund, es war mehr ein Hauch. »Was war das für ein Wochentag?«
    »Ein Dienstag.«
    Warum fragt er nicht, weshalb wir uns nach diesem Datum
erkundigen?, überlegte Christoph. Kennt er diesen Tag? Oder kann er sich nur
vorstellen, dass es der Tattag war?
    Brehm hatte die Augenlider niedergeschlagen. Fast
flüsternd sprach er weiter: »Darf ich in meinem Kalender nachsehen? Ich kann
mich nicht erinnern.«
    Christoph nickte. »Selbstverständlich.«
    Der Mann stand auf, durchquerte mit müden Schritten
den kleinen Raum und öffnete einen Aktenkoffer, der in einer Nische zwischen
dem Schrank und der Wand stand. Er kramte in diesem Koffer herum, schloss ihn
dann wieder und sagte bei der Rückkehr zur

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