Tod in der Marsch
hatte.
Von der Küche führte eine Tür zu dem gepflasterten
Platz hinter dem Haus.
Der Gutsbesitzer stand mit einem anderen Mann
gestikulierend auf der freien Fläche und gab offensichtlich Anweisungen. Neben
von Dirschau stand die riesenhafte Dogge, die beim Erscheinen der beiden
Kriminalbeamten die Zähne fletschte und knurrend den Kopf in ihre Richtung
schwenkte.
Demonstrativ öffnete Große Jäger seinen Parka und
legte die flache Hand so an den Körper, dass er Ähnlichkeit mit einem
Westernhelden aufwies, der jederzeit zum Duell bereit ist. Von Dirschau hatte
diese Geste ebenfalls wahrgenommen. Seine Hand glitt zum Kopf des Hundes und
kraulte das massige Haupt des Tieres besänftigend.
Der Gutsbesitzer nickte seinem Gesprächspartner zu und
bedeutete ihm damit, dass die Unterhaltung beendet sei. Der Mann entfernte sich
in Richtung der Stallungen.
»Was wollen Sie schon wieder hier?«, fragte der
Hausherr die beiden. »Ich habe wahrhaft etwas anderes zu tun, als mir ständig
von Ihnen die Zeit stehlen zu lassen.«
»Anne Dahl würde auch lieber die Mittagssonne
genießen, anstatt im Leichenschauhaus zu liegen.« In jedem Wort der Entgegnung
von Große Jäger schwang die Abneigung mit, die er von Dirschau entgegenbrachte.
Christoph blickte in Richtung der Doppelgarage, deren
Tor in halb geöffneter Stellung zwischen Himmel und Erde schwebte.
»Der rote BMW -Sportwagen
wird von Ihrem Sohn gefahren?«, wollte Christoph wissen.
Von Dirschau überlegte einen Moment, ob er diese Frage
beantworten sollte.
»Ja, gibt es seitens der Polizei dagegen Einwände,
dass ein Vater seinem einzigen Kind ein Fahrzeug aus seinem Fuhrpark zur
Verfügung stellt?«
»Natürlich nicht! Aber das bedeutet doch, dass Ihr
Sohn gegenwärtig hier in Marschenbüll ist.«
»Ja.«
»Vor kurzem haben wir den Wagen bereits in der Garage
gesehen. War Ihr Sohn da auch schon hier?«
Von Dirschau zögerte etwas mit der Antwort, bevor er
ausweichend entgegnete: »Vielleicht mag es in Ihren Kreisen nicht üblich sein,
dass der Sohn seinen Vater als einzigen lebenden Verwandten über das
Weihnachtsfest besucht. Ich finde daran nichts Außergewöhnliches.«
»Bei unserem letzten Besuch haben Sie uns erklärt, Sie
würden allein in diesem Hause wohnen. Von Ihrem Sohn haben Sie nichts verlauten
lassen.«
Über von Dirschaus Gesicht huschte der Anflug eines
überheblichen Lächelns. Er sah Christoph direkt an und ließ dann von oben herab
wissen: »Mich wundert es gar nicht, dass Sie bei Ihrer unpräzisen Arbeitsweise
in der Klärung dieses Falles nicht so recht vorankommen. Sie haben mich gefragt,
ob ich in diesem Hause allein lebe. Das trifft zu. Sie haben mich hingegen
nicht befragt, ob ich gelegentlich Besuch habe. Dann hätte ich Ihnen
selbstverständlich erzählt, dass mein Sohn mich zu den Festtagen und auch in
den Semesterferien besuchen kommt.«
Von Dirschau drückte sich so geschickt aus, dass man
ihm nicht vorhalten konnte, er würde lügen. Gegen seine Interpretation des
früheren Gespräches gab es nichts einzuwenden.
»Ihr Sohn hat den roten Sportwagen mit in Freiburg?«,
wollte Christoph wissen.
Anstelle einer Antwort nickte von Dirschau.
Christoph erinnerte sich an ihren ersten Besuch. Dort
hatte in der Doppelgarage ebenfalls der rote Sportwagen neben der
Mercedes-Limousine gestanden. Er versuchte, sich das Bild vor Augen zu halten.
Er entsann sich, dass von Dirschau es damals eilig hatte, das Garagentor zu
schließen.
Irgendwie war da aber noch etwas anderes. Siedend heiß
durchfuhr es Christoph. Urplötzlich war es wieder da.
Leider war Christoph ein schlechter Pokerspieler. Die
anderen beiden Gesprächsteilnehmer hatten mitbekommen, dass in ihm eine
Veränderung vorgegangen war. Während Große Jäger ihn neugierig betrachtete,
hatte von Dirschau die Augen zusammengekniffen. Er warf einen skeptisch
prüfenden Blick auf Christoph.
Abrupt drehte sich Christoph um, machte ein paar
schnelle Schritte in Richtung der Doppelgarage und warf über die Schulter
zurück: »Sie haben doch sicher nichts dagegen, Herr von Dirschau, wenn wir uns
einmal Ihre Autos etwas näher ansehen.«
Von Dirschau wollte hinterherstürmen, hielt aber immer
noch die Dogge fest am Halsband, was ihn daran hinderte, dem Polizisten rasch
zu folgen.
»Halt!«, rief er. »Dazu haben Sie keine Berechtigung.
Von mir haben Sie keine Erlaubnis, hier irgendetwas zu untersuchen. Verlassen
Sie augenblicklich mein Grundstück!« Er war jetzt sichtlich
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