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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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statt einer Antwort fragte
er: »Kann ich etwas zu trinken bekommen?«
    Mommsen war von seiner Schreibtischecke aufgestanden.
»Kaffee? Tee? Cola?«, fragte er.
    Yildiz schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »ich bin
innerlich sehr aufgewühlt. Da wäre noch mehr Kaffee oder Tee nicht das
Richtige. Haben Sie vielleicht ein Glas Wasser für mich?«
    Mommsen nahm einen Plastikbecher, füllte ihn mit
Mineralwasser aus einer angebrochenen Flasche und stellte es mit einem
Achselzucken vor dem Mann hin. »Entschuldigung, aber etwas Besseres haben wir
leider nicht.«
    Yildiz setzte den Becher vorsichtig an und trank zwei
kleine Schlucke.
    »Danke«, sagte er und benetzte mit der Zunge seine
Lippen.
    »Und weiter?«, drängte Große Jäger, was ihm erneut
einen missbilligenden Blick Christophs eintrug.
    »Lisa hatte den Wunsch, die Tiere im Stall zu
besuchen. Ich hatte ihr von den kleinen Kälbchen berichtet, die seit einigen
Tagen auf dem Hof waren. Lisa bedrängte ihre Mutter, doch nach Marschenbüll zu
fahren. Anne war dagegen und bemühte sich, ihrer Tochter diese Idee auszureden.
Und ich habe in Gegenwart des Kindes versucht, Anne umzustimmen. Die Kleine
drängte sehr, und ich wollte ihr eine Freude bereiten.«
    Plötzlich ließ er den Kopf in die Hände sinken,
schluchzte tief und stammelte: »Mein Gott, ich bin schuld daran, dass die beiden
jetzt tot sind.«
    Die drei Kriminalbeamten sahen sich sprachlos an. Das
Gespräch hatte eine überraschende Wendung genommen. Mit dieser Art von
Geständnis hatten sie zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet.
    Große Jäger in seiner impulsiven Art war derjenige,
der die Initiative ergriff. Er sprang auf Yildiz zu, fasste ihn am Revers und
zog ihn zu sich hoch, dass sich fast ihre Nasenspitzen berührten.
    »Warum hast du die beiden umgebracht?«, schrie er den
überraschten Mann an.
    Der zuckte zurück, versuchte sich vergeblich aus dem
Haltegriff des Oberkommissars zu befreien und stammelte mit vor Entsetzen
geweiteten Augen: »Ich … ich … ich habe niemanden umgebracht.«
    »Eben gerade hast du gesagt, du hast die beiden
umgebracht!«, herrschte Große Jäger den Mann an, der schützend die Hände vor
das Gesicht hielt und einem schwer angeschlagenen Boxer glich.
    Yildiz schüttelte den Kopf, immer wieder. »Nein«,
haspelte er. »Ich habe niemanden getötet. Ich könnte nie einem Menschen ein
Leid antun.«
    »Herr Yildiz. Soeben haben Sie uns erzählt, dass Sie
am Tod der beiden Menschen schuld sind«, sprach Christoph den Mann an.
    Yildiz holte tief Luft. »Wenn ich an diesem Tag nicht
Annes Wohnung aufgesucht hätte, wenn ich Anne nicht bedrängt hätte, dem Wunsch
des Kindes nachzugeben und nach Marschenbüll zu fahren, dann würden die beiden
jetzt noch leben.«
    »Wie kommen Sie zu dieser Überzeugung?«
    »Die beiden sind doch offenkundig an diesem Tag in
Marschenbüll ihrem Mörder in die Hände gefallen«, versuchte Yildiz zu erklären
und sah dabei die drei Beamten der Reihe nach an, als suche er in ihren
Gesichtern Zustimmung für seine These.
    »Keiner kann bisher etwas zum Verschwinden des Kindes
sagen«, setzte Christoph wieder an, »und nun erzählen Sie uns, dass auch das
Kind tot ist. Wie erklären Sie das?«
    Yildiz schluckte heftig. Er würgte jeden Buchstaben
seiner Antwort einzeln hervor. »Das war von mir einfach so dahergesagt. Ich
weiß es nicht, aber wo soll ein Kind allein denn bleiben?«
    »Niemand hat bisher von einem toten Kind gesprochen.
Da kommt es für uns jetzt sehr überraschend, wenn wir aus Ihrem Munde hören,
dass Mutter und Tochter tot seien.«
    Yildiz schlug mit der Faust auf die Tischplatte, als
wollte er eine immense innere Anspannung abreagieren.
    »Ich weiß es nicht. Ich bin kein Mörder. Ich habe die
beiden gemocht, ja geliebt. Ich bringe doch niemanden um, ich doch nicht …«
    Christoph reckte sich. »Herr Yildiz, was ist weiter
geschehen an diesem Tag? Sie hatten also Anne Dahl überredet, mit ihrer Tochter
nach Marschenbüll zu fahren. Und weiter?«
    Yildiz holte tief Luft und wischte sich mit dem
Handrücken Tränen aus den Augenwinkeln.
    Leise setzte er seinen Bericht fort. »Wir waren
relativ vergnügt, alle drei, und haben uns dann nach Marschenbüll auf den Weg
gemacht. Um kein Aufsehen zu erregen, hatten wir vereinbart, nicht gemeinsam
durch das Dorf zu gehen. Ich bin also in der Ortsmitte –«
    »Das ist beim Gasthof?«, unterbrach Christoph ihn.
    Yildiz nickte. »Ja, das ist am Gasthof, gegenüber der
Kirche, ich

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