Tod in der Marsch
Wagens ist mir
aber noch erinnerlich, weil es eine ungewohnte Nummer hatte. › FR ‹ waren die Buchstaben. Ich habe mir
dabei noch gedacht, das würde für ›Fahrer rabiat‹ stehen.«
Weitere Angaben zum Kennzeichen konnte die junge Frau
nicht mehr machen.
»Wissen Sie noch, wann das gewesen ist?«, fragte Große
Jäger.
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist schon eine
Weile her, sicher schon einige Wochen. Aber genauer kann ich den Zeitpunkt
nicht mehr bestimmen.«
Christoph sah Große Jäger an.
»Kennzeichen › FR‹ !
Sagt dir das nichts?«
Der Oberkommissar überlegte einen Augenblick.
»Doch, natürlich. Freiburg im Breisgau. Dort studiert
der junge von Dirschau.«
Mommsen schlug seinem Kollegen auf die Schulter.
»Richtig. Da können wir natürlich lange suchen.
Möglicherweise hatten von Dirschaus Besuch aus Freiburg. Der Junior fährt ja
bekanntlich den roten Sportwagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm der
knauserige Alte zwei fahrbare Untersätze sponsert. Also, auf zu Vater und Sohn
von Dirschau zur heiteren Fragestunde.«
Christoph schüttelte den Kopf.
»Wieso nicht?«, wollte Mommsen von Christoph wissen.
»Wir haben bisher die Erfahrung gemacht, dass von
Dirschau mit jedem Satz die Dinge verdreht. Ich glaube, wir bekommen von ihm
oder seinem Sohn mit Sicherheit keine verwertbaren Informationen zu einer solch
brisanten Frage. Der Mann ist schließlich intelligent genug, um sofort im
Ansatz zu erkennen, worauf wir hinauswollen.«
»Das verstehe ich nicht. Wir sind doch nur an der
Beantwortung von Fragen interessiert, die den beiden von Dirschaus in keiner
Weise gefährlich werden können. Dem Alten sollte es doch gleich sein, ob wir
uns für einen Besucher seines Sohnes interessieren«, entgegnete Mommsen.
Große Jäger warf sich in die Brust. »Dieser Bursche
liegt mir schon lange quer im Magen. Ich hätte nicht übel Lust und Laune, ihn richtig
ins Gebet zu nehmen.«
Christoph musste lächeln. Sie hatten wieder einen der
für den Oberkommissar typischen impulsiven Ausbrüche erlebt. Dort, wo sich auf
normalem Wege Schwierigkeiten auftaten, suchte er den kurzen Weg, wenn es sein
musste, direkt durch die Wand.
»Wir müssen eine intelligente Lösung suchen. Ich habe
auch schon eine Idee«, beharrte Christoph.
Seine beiden Kollegen sahen ihn mit großen Augen an.
»Wir werden einen kleinen Abstecher zur jungen Frau
Römelt unternehmen. Die ist fast täglich im Haus von Dirschau anwesend und wird
sicher auch mitgekriegt haben, wenn der Sohn Besuch bekommen hat. Selbst wenn
dieser nur übers Wochenende anwesend war und sie ihn deshalb nicht selbst
gesehen hat, kann sie uns vielleicht einen Hinweis darauf geben.«
Sie zahlten, zwängten sich durch die immer noch heftig
diskutierende Menge zum Ausgang durch und fuhren das kurze Stück bis zum
Anwesen des Bürgermeisters.
Ein lauter Gong schallte durch das Haus, als sie die
Türglocke betätigten. Nach kurzer Zeit hörten sie schnelle, kurze Schritte, und
ein kleines Mädchen, vielleicht sechs Jahre alt, öffnete die schwere Tür. Die
beiden mit Gummibändern gehaltenen Zöpfe standen lustig zu beiden Seiten des
Kopfes ab. Aus dem sommersprossigen Gesicht sahen zwei blaue Augen zu den
Beamten hoch.
»Was wollt ihr?«, erklang eine glockenklare Stimme aus
dem Kindermund, in dem jeweils im Ober- und Unterkiefer ein Zahn fehlte.
Christoph beugte sich zu dem Mädchen hinab. »Ist deine
Mutti zu Hause? Kannst du sie einmal an die Haustür holen?«
Übergangslos drehte die Kleine den Kopf und ließ einen
markerschütternden Schrei hören: »Maaamaaa!«
Im selben Moment bog Frau Römelt um die Ecke und
erkannte den Besuch.
Christoph fragte sie, ob sie von einem Besuch im Hause
von Dirschaus wisse, der einen VW -Variant
fuhr.
Sie schüttelte energisch und ohne nachzudenken den
Kopf.
»Nein, da ist mit Gewissheit kein Besuch in den
letzten Wochen oder gar Monaten da gewesen.«
Große Jäger hielt es kaum auf seinem Platz. Unruhig
bewegte er seine Hände. Er fiel der jungen Frau fast ins Wort.
»Kann es denn sein, dass Sie davon nichts mitbekommen
haben?«
Sie verneinte erneut. »Das wäre mir mit absoluter
Sicherheit aufgefallen. Außerdem hätten die beiden Herren von Dirschau sich
ganz bestimmt nicht mit dem Herrichten des Gästezimmers oder gar mit dem
Aufräumen oder dem Wäschewechsel nach Abreise des Besuchs beschäftigt. Das wäre
dem Personal überlassen geblieben.«
Das war ein gutes Argument.
Vor seinem
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