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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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vorbei. Ihr Bruder war vollkommen ungeniert und grüßte die Dame an der Kasse mit einem Nicken.
    Hilda bemerkte nichts Beängstigendes und hatte allmählich wieder Boden unter den Füßen. In achtzehn Jahren hatte sich viel verändert, auch wenn das meiste gleich geblieben war. Aus der Perspektive des Kindes war der Blick der Erwachsenen geworden. Die Regale im Laden waren nicht mehr so hoch, die Gänge nicht mehr so breit.
    Sie half Sam, die Tüten zum Auto zu tragen. Als Sam dann zu Wohnung und Werkstatt fuhr, die er unter der Woche benutzte, begann sie zu ahnen, warum er bisher fast kein Wort darüber verloren hatte.
    »Das ist ja der Sodavägen«, sagte sie gefasst und sah die Birken in ihrem frischen Grün entlang der Straße mit den Einfamilienhäusern.
    »Ganz genau«, sagte er und grinste.
    Er verstand, dass ihr der Kopf schwirrte, und die Gemeinsamkeit war tröstlich. Diese Reise hätte sie mit niemand anderem unternehmen wollen, dann schon lieber allein.
    Sie erkannte die Häuser wieder, einige waren verkommen und sahen unbewohnt aus, während andere renoviert worden waren. Die Äste der Obstbäume reckten sich himmelwärts. In einem Garten schaukelten ein paar Kinder, eine Frau war mit einem Kinderwagen unterwegs.
    »Sieht alles ziemlich gleich aus, nicht wahr?«, fuhr er unbekümmert fort.
    In dem Moment, als sie das grüne Haus sah, brach die Sonne durch. Es war, als hätten Wetter und Wind der seltsamen Farbe, die Skogis einst billig erstanden hatte, gar nicht zugesetzt. Sie starrte die Fassade an, der Kloß im Hals wuchs.
    Auf dem Grundstück stand ein Auto.
    »Wohnen die Skoglunds noch dort?«, flüsterte sie.
    »Ja. Johannes und Mariana wohnen noch da, Mattias ist natürlich ausgezogen, und Sofia wohnt in Oskarshamn, sie habe ich noch nicht gesehen. Die sind genauso wie wir erwachsen und sogar noch ein bisschen älter.«
    »Hast du mit ihnen gesprochen? Mit Skogis und Mariana?«
    »Nicht viel, meist nur guten Tag und guten Weg.«
    »Was sagen sie?«
    »Ich glaube nicht, dass sie mich erkannt haben. Sie wissen nicht, wer ich bin, und ich habe dir ja schon gesagt, dass ich meinen Namen hier nicht rausposaunt habe. Die Glashütte ist unter neuer Leitung, die Einzige, die weiß, wer ich bin, ist Alice, und sie wohnt im Wald auf einem gepachteten Hof und ist auch nicht der Typ, der mit Leuten redet. Zumindest nicht über so etwas.«
    »Wieso hast du es ihr denn erzählt?«
    »Sie hat Augen im Kopf. Hat mich nachdenklich angeschaut und behauptet, sie würde meine Art, den Kopf zu bewegen, kennen«, sagte er und musste lachen.
    »Glaubst du nicht, dass es noch mehr Leute gibt, die dich wiedererkennen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, aber die meisten scheren sich nicht um mich. Alice und ich haben schließlich denselben Job, da ist die Beziehung größer.«
    Hilda erinnerte sich, dass Alice schon als sie klein waren nicht geschwätzig war. Sie würde sie gern wiedersehen.
    »Ich fühle mich gut damit, inkognito hier zu sein«, erklärte er. »Man ist freier und nicht so eingeschränkt und festgelegt. Die Erinnerungen an diesen Ort sind zwar nicht alle strahlend, aber vieles war doch hell und normal, es ist wichtig, das nicht zu vergessen.«
    Hilda nickte.
    »Am Ende wird sowieso herauskommen, wer ich bin. In meinem derzeitigen Job wäre es natürlich von größerer Durchschlagkraft, Glas zu heißen.«
    Er fuhr auf das Grundstück vor dem roten Haus. Hilda stieg aus und sah zum Giebel hoch. Das Falunrot war blass und ins Holz eingezogen. Das Haus muss gestrichen werden, dachte sie nüchtern.
    Natürlich erkannte sie alles wieder. Dieses Haus hatte sie im Alter von acht Jahren ohne Tränen verlassen, mit einem Koffer, den sie nicht allein tragen konnte. Robert hatte ihn genommen.
    »Warum hast du nicht gesagt, dass du in unserem Haus wohnst?«
    »Weil du dann womöglich nicht mitgefahren wärst, und ich wollte unbedingt, dass du mitkommst.«
    Steif wie ein Stock stand sie auf dem Weg.
    »Außerdem kann es nur guttun, ein paar Gespenster loszuwerden. Komm, Schwesterchen, als Erstes drehen wir mal eine Runde ums Haus.«
    Die Luft war kühl, als sie auf den Rasen hinter dem Haus trat. Am Ende des Grundstücks begann der Wald, dazwischen lag eine Lichtung, die die Sonne von Süden her durchließ. Hinter dem Wald konnte sie den Hjortsjön erahnen. Ihr fiel ein, dass sie es nicht weit zum Badeplatz gehabt hatten und in den Ferien, wenn Mama und Papa Urlaub hatten, meist dort gewesen waren. Sie hatte

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