Tod in der Walpurgisnacht
sich von ihm nach Papas Tod in die Enge treiben lassen? Oder fand sie ihn nett und hilfsbereit, weil sie vielleicht gar nicht wusste, was Skogis Sam angetan hatte, denn sonst hätte sie ja nichts und niemals mit diesem Mann zu tun haben wollen.
Hilda holte tief Luft. Daniel Skotte glotzte sie immer noch an. Die Menschen sind feige, manche zumindest, stellte sie fest, warf Daniel einen kurzen Blick zu und verschränkte die Hände. Fest, ganz fest verknotete sie die Hände, bis die Knöchel weiß wurden. Sie würde so gern jemanden schlagen. Skogis oder die Wand, einfach nur schlagen, schlagen, schlagen!
Die Besprechung war beendet. Alle standen auf. Hilda war schwindelig vor Hunger und unterdrückter Wut. Das wurde besser, wenn sie sich bewegte, dann vergingen die Rachegedanken.
»Komm, wir zwei sind heute zusammen auf der Station«, sagte Veronika und schlug ihr kameradschaftlich auf die Schulter. »Aber geh erst mal in die Küche und hol dir ein Brot. Dann machen wir Visite. Ich will nur eben nach einem Patienten sehen, der für eine Blutabnahm e hergekommen ist und jetzt nach Hause gehen soll.«
Hilda ging in die Teeküche, nahm sich ein Brot und goss sich eine halbe Tasse von dem Kaffee ein, der schon abgestanden und eigentlich nicht mehr trinkbar war. Die Müdigkeit ließ ein wenig nach, aber sie hatte immer noch Kopfschmerzen. Dann rückte Hilda ihren Kittel zurecht und ging zum Empfang. Die Leuchtstoffröhren an der Decke spiegelten sich glitzernd in dem gebohnerten Fußboden. Da ging die Tür zum Behandlungszimmer auf.
»Dann sehen wir uns in drei Wochen wieder!«, sagte Veronika zu dem Mann, der müden Schrittes auf den Flur trat.
Er nickte. Der sieht krank aus, dachte Hilda, nachdem sie einen kurzen Blick auf die Kleider geworfen hatte, die lose über einem mageren Rücken und spitzen Schultern hingen.
»Werden Sie abgeholt?«, hörte Hilda Veronika fragen, die ihm den Flur hinunter folgte.
Er drehte sich zu Veronika um, sagte vermutlich »ja«, doch das hörte Hilda nicht. Sie sah nur mit Erstaunen, um wen es sich handelte. Krankhaft abgemagert, die Haut spannte über den Wangenknochen, doch trotz allem war er nicht schwer zu erkennen. Und die Stimme schon gar nicht. Dieser salbungsvolle und übertrieben ergebene Tonfall. Sie trat näher und schlich hinterher, bereit, jederzeit in ein benachbartes Zimmer zu springen.
Sie hatte Recht. Es schauderte sie. Das war ohne Zweifel Johannes Skoglund.
Sie wartete noch ein wenig im Flur, um zu sehen, wer ihn abholte. Doch dann glitt die Glastür zum Fahrstuhlkorridor auf, gerade in dem Moment, als eine Krankenschwester auf sie zutrat.
»Ich müsste Sie mal etwas fragen«, sagte die Schwester und zog Hilda mit sich zum Empfang.
D er Vormittag verstrich. Skoglund ging ihr nicht aus dem Kopf. Was war passiert, als Mama mit Skoglund ins Krankenhaus gekommen war? Hilda versuchte, eine Gelegenheit zu erwischen, um Veronika zu fragen, doch sie verpassten einander meist. Außerdem hatte sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund Angst vor der Antwort. Wenn Veronika sich überhaupt an irgendetwas erinnerte, dann war die Antwort sicher traurig .
Kurz nach dem Mittagessen saßen Veronika und sie jede an ihrem Computer in der Abseite der Station und schrieben oder diktierten Berichte, Krankschreibungen und Rezepte. Die Tür zum Empfang stand offen, damit sie überhaupt Luft kriegten in der kleinen Kammer.
Es klingelte in Veronikas Tasche. Hilda sah, wie sie über die SMS lachte.
»Habe grade ein Bild von meiner Tochter in Lund mit ihrem Freund gekriegt, willst du es mal sehen?«, fragte Veronika.
Hilda beugte sich höflich über den Tisch. Und erstarrte. Ein blondes Mädchen, das sie kannte. Und an Cecilias Seite war ein Mann, den sie noch besser kannte.
Fredric Lido! Sie war perplex. Das Dasein war voller Zufälle. Die Welt war wirklich klein, zumindest in Schweden, und schon gar in Lund in denselben Kreisen oder in Oskarshamn.
Dann erinnerte sie sich plötzlich. Sie selbst hatte die beiden einander vorgestellt, als sie sich vor dem Grand Hotel zufällig begegnet waren. »Das hier ist Cecilia aus Oskarshamn«, hatte sie gesagt, und Cecilia hatte gelächelt und Fredrics Blick gesucht. »Und das ist Fredde«, hatte sie auch gesagt.
Wahrscheinlich hatte sie nicht erwähnt, dass er ihr Freund war, denn das sagte man einfach nicht. Außerdem war das ja auch offensichtlich.
»Die beiden sehen sehr nett aus«, sagte sie zu Veronika und merkte zu ihrer eigenen Freude,
Weitere Kostenlose Bücher