Tod in der Walpurgisnacht
Hinsicht ähnlich waren. Sie hatten mit Menschen in Krisen und Katastrophen zu tun. Sie lösten Probleme und versuchten zu helfen und Lösungen zu finden.
Vielleicht trug diese gemeinsame Ebene dazu bei, dass ihre Beziehung so gut funktionierte. Es gab den Einblick und das Verständnis. Nicht immer, aber oft.
Als sie in der Morgendämmerung wachgelegen hatte, presste sie schließlich vorsichtig ihre Handfläche auf Claes’ Brustkorb. Haut auf Haut. Sie spürte die Vibration seiner regelmäßigen A temzüge und des Schnarchens und war schließlich mit der Hand auf seiner Brust wieder eingeschlafen. Sie schlief bei einem warmen Körper, das war viel wert, ein lebendiger Mensch neben ihr.
Sie warf einen raschen Blick auf Claes, als er in der Küche stand. Wie lange würde es ihr wohl gelingen, ihn kurzzuhalten? Wahrscheinlich war er genauso genervt wie sie und wollte eigentlich nach Hause. »Aber nun ist es eben so«, hatte er mit rauer Stimme am Morgen gemurmelt.
Ja, so war es nun mal. Wie so oft im Leben.
Janne kam herein, er hatte schon die Jacke an und wollte los. Claes kippte im Stehen einen Kaffee.
»Pass auf dich auf!«, sagte Claes mit einem raschen Blick auf Veronika.
Dann war er aus der Tür.
Mona nahm die Kaffeekanne. »Ich glaube, du kannst noch einen Schluck gebrauchen.« Veronika widersprach ihr nicht. Sie war noch nicht bereit, aus der gemütlichen Küche der Lundins aufzubrechen und sich mit den Mädchen ins Auto zu setzen, um allein nach Hause zu fahren.
Mona goss sich selbst auch noch eine Tasse ein und ließ sich dann auf den Stuhl sinken. »Es gibt noch einen Rest von der Torte, den sollten wir eigentlich aufessen.«
Torte am Vormittag war eher nicht Veronikas Ding, aber jetzt schmeckte sie gut als Trost, und das fanden die Mädchen auch.
»Sollen wir nicht nachher noch in die Eisdiele gehen?«, schlug Mona vor.
Aber das war zu viel für sie. Mit zwei Mädchen in den Eisladen, das war mehr, als Veronika an einem solchen Tag verkraften konnte. Sie wollte nach Hause.
Mona ist wirklich nett, dachte sie. Und dann sagte sie es auch laut: »Weißt du Mona, ich glaube, du bist einer der nettesten Menschen, die ich kenne.«
»Ach, Pustekuchen!«, wehrte Mona ab.
Veronika fuhr mit einem Finger über Monas Wange, legte den Kopf schief und lächelte. Wie typisch, dass Mona »Pustekuchen« sagte.
Kapitel 15
Hilda, Donnerstag, den 17. März 2011
S ie schwitzte unter den Achseln, der Schweiß kitzelte und fühlte sich klebrig an.
Hilda streckte die Arme gerade vom Körper ab und hielt mit festem Griff die Operationshaken, die den Bauch offen hielten. Ihre Wangen glühten, sie waren die einzigen freien Hautpartien. Wenigstens musste sie nicht aufs Klo, wie sonst immer, wenn sie nervös war.
Ihr Körper war in einen Operationskittel aus dichtem Papier eingepackt, und darunter trug sie Hosen und Oberteil aus einem seltsamen Synthetikmaterial, das vermutlich sowohl atmungsaktiv als auch angenehm auf der Haut sein sollte, während es zugleich höchsten Anforderungen der Hygiene gerecht wurde. Aber die alten grünen Kittel aus Baumwolle waren schöner; allerdings musste man es schaffen, einen davon zu ergattern. Das hatte Fresia Gabrielsson ihr erzählt, die Hilda in das Mysterium der Berufskleidung eingeführt hatte, als sie neu war.
In andere Mysterien hatte sie sie auch eingeweiht, nämlich das, was man allgemein Klatsch und Tratsch nannte.
Hilda hatte heute einen Volltreffer gelandet, denn sie durfte Veronika Lundborg bei einer Operation assistieren. Fresia hatte ihr erzählt, dass sie als Neuling auf verschiedene Arten versucht hatte, auch einmal zu assistieren, dass sie aber nie kapiert hatte, wie das System funktionierte. Sie hatte sich an die Operateure gewandt, hatte sich selbst auf den Operationsplan geschrieben, bettelte, bat und trickste, aber es schien immer, als würde hier der Zufall regieren.
Bis sie dem Problem irgendwann auf den Grund ging und es sich herausstellte, dass alles ganz einfach war: Wenn die großen Chirurgen ihren Anteil bekommen hatten, teilten die Sekretärinnen alle weiteren »Geschenke« aus. Und das taten sie nur, damit die Sachen erledigt wurden, das hatte nichts mit manipulativen Machtspielen zu tun.
Hilda hatte seither Fresias Tipps beherzigt und sich auf die Schwelle zum Sekretärinnenzimmer gestellt. Und jetzt stand sie hier im Operationssaal.
Hildas Kopf neigte sich vertraulich zu Veronikas, beide trugen die gleichen hellblauen Papiermützen. Wie zwei
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