Tod in der Walpurgisnacht
Allgemeinbildung.
Doch verwandt waren sie nicht. Wie denn auch, zumal Söderberg sich seine Figur vermutlich ausgedacht hatte. Ihr eigener Stammbaum hatte seine Wurzeln in Deutschland. Die Urahnen waren Glasbläser gewesen, die im 18. Jahrhundert, als die Glasfabriken in Småland allmählich größer wurden, in Lohn und Arbeit genommen worden waren.
Inzwischen war eine gute Stunde vergangen, seit das Skalpell ein Stückchen oberhalb des Schamhügels angesetzt worden war, um den Bauch mit einem Mittellinienschnitt, der am Nabel vorbei in einem Halbkreis verlief, zu öffnen.
Hilda war jetzt noch wärmer, sie glaubte zu dampfen. Sie sah, wie ruhig und methodisch Veronika arbeitete. Sie vermied Blutgefäße, schonte die Gedärme und sorgte dafür, dass es so wenig wie möglich blutete.
Es gab unterschiedliche Operationsstile. Manche Operateure waren ungeduldig, machten Druck und zogen und rissen am Gewebe. Andere waren kleinlich, manchmal übertrieben vorsichtig und fast ängstlich. Die erstarrten leicht, die Operation kam zum Stillstand, und eine gewisse Müdigkeit legte sich über den ganzen Saal. Ronny Alexandersson hatte ihr schon einen Vortrag darüber gehalten, dass sie ihr eigenes Tempo finden sollte. Natürlich war es von Vorteil, alles gleich richtig zu machen, als später noch Zeit darauf verwenden zu müssen, Blutungen zu stillen oder etwas zu reparieren, was kaputt gegangen war.
Genauso ist es beim Nähen. Immer wieder kam ihr die ser Vergleich in den Sinn. Ein durchdachter Schnitt und eine sorgfältige Arbeit in den unteren Lagen, die man nicht sah, waren entscheidend für das Endergebnis. Es machte niemals Spaß, etwas wieder auftrennen zu müssen, und noch weniger, ein schlecht sitzendes Kleidungsstück anzuziehen.
Hilda umklammerte die Griffe der Haken, mit denen sie die Bauchwand offen hielt und es dadurch möglich machte, dass Veronika arbeiten konnte.
»Lassen Sie mal die Schultern locker und entspannen Sie sich ein wenig«, sagte die OP-Schwester freundlich.
Die Schultern reichten ihr schon fast bis zu den Ohren. Aber entspannen? Das war leicht gesagt.
»Das ist schwer, ich weiß«, sagte die Schwester, »aber Sie sehen angestrengt aus.«
Am Ende gelang es ihr, die Schultern ein wenig sinken zu lassen, und sie entspannte sich augenblicklich. Die Patientin hatte eine nicht gerade dünne Speckschicht unter der Haut, und es war schwer, den Schnitt offen zu halten. Zunächst hatte Veronika einen selbst haltenden Haken eingesetzt, das hatte auch eine Weile funktioniert, doch dann hatte der Haken die Sicht auf die Gewebeveränderungen, die entfernt werden sollten und die an der Seite der Bauchwand saßen, verstellt.
»Kannst du noch?«, fragte Veronika.
»Alles in Ordnung«, erwiderte Hilda.
Das hatte sie geantwortet, obwohl sie eigentlich nicht mehr konnte und ihre Arme sich anfühlten wie gekochte Spaghetti. Alles geht, wenn man nur will!
Veronika versuchte eine circa vier Zentimeter große Gewebeveränderung, leicht dorsal an der linken Innenseite der Bauchwand gelegen, freizuschneiden. Sie hatte sie schon von den Darmwänden gelöst, die dann in Bauchtücher gehüllt und beiseitegeschoben worden waren. Zum Glück war kein Loch in der Darmwand.
»Einen Moment noch, dann hab ich es«, sagte Veronika, ohne den Kopf zu heben. Sie hielt den verhältnismäßig harten Knoten mit einer langen Pinzette, während sie den letzten Rest von der Bauchwand löste. Vorsichtig schob sie eine geschlossene Schere unter das Gewebe, die sie dann wieder und wieder vorsichtig aufmachte, und löste auf diese Weise den Klumpen von der Unterlage, ohne dass es stark blutete.
»Das sieht nicht schlimm aus, aber man weiß ja nie«, meinte Veronika. »Vielleicht ist es ein alter Abszess.«
Es klingelte. Veronika und Hilda hatten ihre Handys und Pieper auf den Beistelltisch gelegt.
»Dr. Lundborg, das ist Ihr Telefon«, sagte die Schwester, und Veronika bat sie ranzugehen. »Das ist eine Gemeindeschwester, die eine Frage zu einem Ihrer Patienten hat, bei dem sie einen Hausbesuch gemacht hat. Es ist ein Mann aus Hjortfors, den Sie operiert haben, jemand mit Stoma. Wissen Sie, um wen es sich handelt?«, fragte sie.
»Ich glaube schon, aber wenn es etwas Akutes ist, dann soll sie den Patienten herschicken, damit ihn sich jemand ansehen kann, sonst muss sie sich heute Nachmittag noch mal melden«, erwiderte Veronika.
Die Botschaft wurde weitergegeben.
»Das ist wirklich eine Pest, dass die Leute hier anrufen
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