Tod in der Walpurgisnacht
machte Claesson immer etwas traurig, so etwas zu hören. Er selbst war mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, sein Vater war Ingenieur, und seine Mutter entstammte einer »besseren Familie«, was sie allerdings keineswegs umgänglicher machte. Schon gar nicht jetzt, sie lebte jahrein, jahraus vor sich hin und erkannte ihn schon lange nicht mehr, wenn er sie besuchte.
»Der hat heute Nacht wahrscheinlich auch nicht viel geschlafen«, meinte Claesson.
»Sicher nicht. Er behauptet, er sei seit fünf Uhr am Tag vor Walpurgis nicht bei dem Scheiterhaufen gewesen.«
»Die Leiche ist wahrscheinlich nach Einbruch der Dunkelheit hierhergebracht worden. Sicherlich war eine Maschine vonnöten, die sie hineingehoben hat, oder zumindest viel Muskelkraft, vielleicht mehrere Personen, die den Scheiterhaufen anheben, die Leiche hineinstecken und dann alles wieder bedecken«, sagte Claesson.
Der Journalist, ein Mann um die fünfzig, kam auf sie zu. Claesson wandte sich ab, und Lundin, der bei der Polizei Oskarshamn für den Kontakt zur Presse zuständig war, musste Rede und Antwort stehen.
Die erste Frage war klar: Wer war das Opfer? Lundin antwortete pflichtschuldigst, dass die Identifizierung noch nicht stattgefunden habe. Handelte es sich um einen Mann oder eine Frau? Die Antwort war die gleiche: Sie wussten es noch nicht.
»Wir warten auf die gerichtsmedizinische Untersuchung, und das kann einen oder mehrere Tage dauern«, sagte Lundin. »Im Moment haben wir keine vermisst gemeldeten Personen.«
»Könnte es Tina Rosenkvist sein?«, fragte der Reporter.
»Wie gesagt, wir wissen es nicht«, fuhr Lundin mit stoischer Ruhe fort.
Claesson und Lundin hatten am Abend zuvor über Tina gesprochen. Wäre sie seit einem Jahr tot, dann hätte die Leiche dementsprechend stark verwest sein müssen. Doch der Körper, den sie in den Leichensack gehoben hatten, war zusammenhängend gewesen. Eine leichte Leiche zwar, so dass es durchaus eine Frau sein konnte, doch die Schuhe aus festem Leder waren nicht stark vom Feuer zerstört gewesen, so dass sie noch erkennen konnten, dass es sich um eine größere Schuhgröße handelte. Die Haare waren komplett verbrannt, die Haut war schwarz und verkohlt. Es war nicht leicht, da etwas zu erkennen.
Jetzt schloss sich ihnen die Journalistin an, eine jüngere Frau. Eine von den Hartnäckigen, dachte Claesson.
Lundin wurde gefragt, ob es sich um Mord oder Totschlag handelte, und natürlich konnte er dazu nichts sagen. Die Polizei und die Presse spielten ihr Spiel miteinander und vertraten nach bestem Vermögen ihre beruflichen Ziele. Wie so oft, musste auch diesmal die alte abgegriffene Antwort »Kein Kommentar« herhalten. Doch das würde sich im Laufe der Zeit ändern.
Die junge Journalistin war nicht zufrieden. Sie hatte noch mehr auf dem Herzen.
»Glauben Sie, dass das etwas mit … äh … der Fehde zu tun hat?«
Lundin zögerte.
»Welche Fehde?«, fragte er dann, während es in seinem Kopf auf Hochtouren arbeitete.
»Die Nachbarschaftsfehde, die hier schon seit ewigen Zeiten stattfindet, die Brandstiftungen im letzten Herbst, bei denen einem Bauern das Futtersilo niedergebrannt wurde und einige Zeit später dann der Traktor mit Heuballen, der angezündet worden ist.«
Sie hielt inne. Lundin schwieg. Natürlich erinnerte er sich an die Vorfälle, jedoch nicht im Detail, denn er war nicht mit den Ermittlungen befasst gewesen. Wenn das Ganze nun überhaupt etwas Größeres war. Er erinnerte sich, dass irgendwann im Oktober oder November die Nachbarschaftsfehde zwischen ein paar Höfen vor Hjortfors wiederaufgeflammt war. Jahrzehnte des Streits kulminierten in Bränden und Sachbeschädigungen. Autos und Traktoren waren von der Straße gedrängt worden, und sowohl Waffen als auch Tiere waren gestohlen worden.
Man konnte nicht wirklich herausfinden, worum es bei dieser Fehde eigentlich ging. Angeblich spielten Jagdgründe eine Rolle, das war bestimmt richtig, aber sicher nicht die ganze Wahrheit. Offenbar hatte eine Person vor ungefähr zwanzig Jahren größere Gebiete erworben und dann den anderen verboten, dort zu jagen, was diese, die das Gelände schon als ihres betrachtet hatten, natürlich verärgerte. Es hatten sich Lager gebildet, und ein weit verzweigtes Netz von Loyalitäten und Konflikten war entstanden.
Wollte die junge Journalistin damit sagen, dass es der Mann mit dem begehrten Jagdgrund war, der dort im Feuer gelegen hatte?
Sie deutete es jedenfalls an. Lundin wollte sie
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