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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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und strich ihr müde und etwas abwesend übers Haar, als sie auf dem Weg in ihr Zimmer durch die Küche schlich.
    Natürlich wird er zurückkommen, dachte sie bockig. Was glaubte Mama denn? Die Gedanken drehten sich.
    Aber wohin war er nur verschwunden?
    Als sie von der Schule nach Hause gekommen war, hatte sie gerade noch ein rotes Auto die Landstraße hinauffahren sehen. Da wusste sie noch nicht, dass Sam in dem Auto saß, doch hatte sie schon geahnt, dass irgendetwas geschehen war. Es war ein fremdes Auto gewesen.
    Jemand war gekommen, um Samuel zu holen, weil sie selbst kein Auto mehr hatten. Ihr Auto war der reinste Schrotthaufen und würde nie wieder fahren, hatte Skogis gesagt, nachdem das schreckliche Unglück im Herbst geschehen war. Seither hatte Mama es nicht geschafft, ein neues Auto anzuschaffen.
    Ein langer und schweinekalter Winter lag hinter ihnen, seit der ersten Katastrophe, die an einem dunklen Abend geschehen war, an dem das Laub in großen Wirbeln gefallen und die Sicht schlecht gewesen war. Wind und Regen peitschten an alle Fenster und warfen die Fahrräder vor dem Haus um, brachen Äste von den Bäumen und hoben sogar die Dachpfannen, warfen sie auf die Erde und zermahlten sie zu kleinen ziegelsteinfarbenen Stückchen.
    »Der Sturm hat das meiste mitgenommen«, sagte Skogis.
    Der Sturm nahm alles mit. Er nahm ihren Papa.
    Sie konnte sich genau erinnern. Nein, das konnte sie nicht, denn sie hatte sich entschieden einen Teil zu vergessen. Die Gesichter von den Leuten, die spät am Abend noch vorbeigekommen waren. Sie hatte vergessen, was sie sagten.
    Erzählten sie, dass sie Papa gefunden hatten? Dass er tot war? Dass er zerdrückt und erschlagen in dem zerstörten Auto saß?
    Auf jeden Fall konnte sie sich noch an Mamas Stimme erinnern. An dem Abend, bevor all das mit Papa passiert war. Bevor irgendjemand vorbeigekommen war.
    »Was für ein Herbststurm«, sagte Mama und zog die Strickjacke enger um sich, als sie da alle drei vor dem Fernseher saßen. Mama, Sam und sie.
    Zunächst hatte Hilda keine Angst, sie hatte überhaupt nicht das Gefühl, dass das Wetter gefährlich sein könnte, sondern war einfach nur froh, dass sie nicht draußen sein und nass werden und frieren musste. Häuser stürzen nicht ein, davon war sie fest überzeugt. Außer bei einem Erdbeben, und die gab es in Schweden nicht, Erdbeben geschahen in Ländern ganz weit weg, man konnte das im Fernsehen sehen.
    Autos sind schwer, und erwachsene Menschen, wie Papa, kriegen auf dieser Welt alles hin, da war sie sicher.
    Also war es einfach nur gemütlich, in der Wärme im Haus zu sein und gemeinsam mit Mama und Samuel auf dem Sofa zu sitzen, während draußen der Wind heulte.
    Doch dann fing Mama an, denselben Satz ständig zu wiederholen: »Bestimmt meldet sich Papa gleich.« Ihre Stimme wurde so angespannt, dass es auf dem Sofa nicht länger gemütlich war.
    Am Ende juckte es Mama überall am Körper, und sie konnte nicht mehr stillsitzen. Sie verließ die gemütliche Sofarunde und fing an, zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her zu wandern, und am Ende stellte sie sich ans Fenster und starrte in die schwarze Nacht hinaus.
    Hilda erinnert sich, dass sie im Sofa sitzen blieb und Mamas Rücken betrachtete. Samuel und sie saßen kerzengerade, auch das wird sie nicht vergessen. Es war schon ein Unglücksbote, dass Samuel nicht herumwuselte oder Geräusche von sich gab, sondern schrecklich still zwischen den gemütlichen Kissen saß. Sie konnte fühlen, wie sich seine magere Schulter in ihren Körper schob.
    Sam und sie, beide wie paralysiert.
    Papa ließ immer von sich hören, wenn er weg war. Entweder rief er von einer Telefonzelle an, oder er bat jemanden anzurufen. Das wussten sie natürlich. Nicht nur Mama, sondern auch Sam und sie selbst.
    Doch diesmal hatten sie nichts von ihm gehört. Mama hatte den Hörer hochgehoben. Die Leitung funktionierte.
    »Das ist wirklich unheilverkündend«, sagte Mama zu sich selbst.
    Hilda erinnert sich, dass Samuel und sie noch mehr erstarrten. Vielleicht wurden sie sogar blass.
    »Was denn?«, fragte sie am Ende lahm, während Samuel anfing, in reiner Panik den Kopf nach rechts und links zu werfen.
    »Ach, nichts. Ich bin einfach nur ein bisschen in Sorge um Papa«, sagte Mama und wandte sich ihnen mit einem Lächeln zu.
    Hilda kann sich nicht mehr richtig erinnern, was dann geschah. Vielleicht blieb sie auf dem Sofa sitzen, und Sam rannte die Treppe rauf in sein Zimmer und fing an

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