Tod in der Walpurgisnacht
Krebs.«
Krebs!
»Was für ein Krebs, wissen Sie da Näheres?«
»Ich frage sowas nicht«, erwiderte Stefan Gustavsson. »Irgendwas mit dem Magen«, ergänzte seine Ehefrau, als ob das mit den Krankheiten Sache der Frauen wäre. »Oder Dickdarm, ja, ich bin ziemlich sicher. Er ist in Oskarshamn operiert worden. Er hat Blut gekackt.«
Claesson fuhr bei der ungeschminkten Ausdrucksweise zusammen.
»Hat er das erzählt?«
»Nein.«
»Hat seine Frau das erzählt?«, beharrte Claesson.
»Nö, ich weiß das einfach«, sagte Jill und wurde plötzlich rot.
So wie es das ganze Dorf weiß, dachte Claesson und wich Lundins Blick aus, der allzu deutlich signalisierte, dass er dasselbe dachte.
Claesson wandte sich der Frau zu.
»Was arbeiten Sie?«, fragte er.
»Ich bin in der Pflege. Aber nicht in Oskarshamn, ich bin Krankenschwester und arbeite hauptsächlich in der Hauspflege. Alle wissen, dass Skoglund krank ist. Man kann es sehen, er hat in der letzten Zeit ziemlich abgebaut. Die Gemeindeschwester war manchmal da und hat ihm mit den Medikamenten geholfen …«, stammelte sie.
Ihr Mann trat ihr leicht mit einem bestrumpften Fuß ans Schienbein. Sie kniff die Lippen zusammen.
»Das heißt, er brauchte Hilfe?«, fragte Claesson und sah sie unverwandt an, eine Methode, die auch die Stärksten in die Knie gehen ließ.
Aber sie erwiderte seinen Blick einfach, als sei nichts geschehen.
»Das kann jedem mal passieren«, erwiderte sie, »dass er Hilfe braucht. Mehr sage ich nicht!«
Mit ihr müssen wir wohl noch mal sprechen, dachte Claesson. Ansonsten gab es sicher noch andere Wege, an die Informationen zu kommen. Wenn es um einen Mord ging, dann durfte die Gemeindeschwester auch mal den Mund aufmachen, da die Schweigepflicht bei einem angedrohten Strafmaß von zwei Jahren aufwärts außer Kraft gesetzt war. Sie mussten Kontakt mit Peter Berg und dem Gerichtsmediziner aufnehmen und ihnen die Informationen über die Krebserkrankung Skoglunds geben. Wenn das überhaupt alles stimmte. Die Forensik konnte dann die Krankenakten anfordern.
Doch zunächst einmal mussten sie Kontakt zu Ehefrau und Kindern bekommen. Saß Mariana Skoglund etwa nichts Böses ahnend in einem Bus irgendwo in Nordeuropa?
Plötzlich fasste sich Jill Gustavsson ein Herz: »Ich glaube, dass Mariana heute nach Hause kommt«, sagte sie, als ob sie ihre Geschwätzigkeit von vorhin mit dieser Information wettmachen wollte. »Also, ich meine, sie hätte gesagt, sie wollte am ersten Mai zurück sein. Bestimmt hat sie ihr Handy dabei. Aber Mattias wohnt ja auch hier im Ort«, plapperte Jill Gustavsson weiter.
Mattias, das war der Sohn.
»Waren Sie gestern Abend bei dem Feuer?«, fragte Claesson.
Beide nickten angespannt.
»Wir mussten ganz schnell wieder da weg, denn wir hatten ja die Kinder dabei. Es war schlimm«, sagte der Mann.
»Makaber«, ergänzte seine Frau.
»Können Sie sich erinnern, ob bei Skoglunds Licht brannte, als Sie nach Hause kamen?«
Die beiden sahen einander an.
»Nein«, sagte Jill Gustavsson entschieden, »da brannte kein Licht. Ich bin ganz sicher.«
Ihr Mann bedeutete, dass er derselben Ansicht war, indem er wieder die Oberlippe über dem Snuspäckchen anspannte.
»Wer wohnt eigentlich im letzten Haus der Straße?«, fragte Claesson.
Beide zuckten mit den Schultern.
»Das Haus gehört der Glashütte und wird hin und wieder Leuten zur Verfügung gestellt, die hier zeitweise arbeiten. Meist sind es Designer, die aus Stockholm kommen oder so«, erklärte Stefan Gustavsson.
»Wohnt momentan jemand dort?«
Die beiden sahen einander an und zuckten wieder mit den Schultern.
»Es kommt und geht immer mal jemand, aber wir haben keinen Kontakt«, sagte Stefan Gustavsson. »Da müssten Sie in der Hütte fragen.«
Die Eheleute Gustavsson hielten plötzlich in ihren Bewegungen inne, als ob ein unseliger Geist vorüberzöge. Claesson bemerkte das und fragte sich, womit die beiden hinter dem Berg hielten. Wer war dieser Johannes Skoglund? Ein geschickter Glasbläser, einer der besten. Aber was noch?
Claesson gab Jill und Stefan Gustavsson seine Karte mit seiner Anschrift, und dann verabschiedeten sich die beiden Polizisten.
Kapitel 24
H ier kennt jeder jeden«, bemerkte Lundin zum hundertsten Mal.
»Hm«, knurrte Claesson. »Die Leute sind noch vorsichtig, aber das wird sich wahrscheinlich geben.«
Es war nichts Ungewöhnliches für die beiden Kriminalbeamten, in einen Ort zu kommen, in dem jeder jeden kannte und jeder
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