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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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herumzuräumen oder Comics zu lesen oder Drachen oder Dämonen oder irgendetwas in der Art zu spielen.
    Sie erinnert sich, dass sie immer noch dachte, dass sich schon alles regeln würde. Natürlich würde es das! Gleich wird Papa anrufen und sagen, dass er gut angekommen war. Wohin war er eigentlich gefahren?
    Sie hatte nie gefragt. Irgendwas mit der Arbeit, ein Auftrag. Jemand hatte entschieden, dass er fahren musste. Es war wohl irgendetwas Wichtiges, sonst wäre er natürlich bei solch einem Unwetter, bei dem sogar Bäume auf die Straße stürzten, zu Hause geblieben.
    An solchen Tagen blieb man zu Hause, das hatte sie gelernt.
    Und das vergaß sie auch nicht.

Kapitel 26
    D ie Frau war Pfarrerin. Ein weißer Rundkragen leuchtete auf einer dunklen Bluse. Der Mantel war aufgeknöpft und ging bis zu den Knöcheln. Sie hatte einen dunklen Rock an, der gerade bis über die Knie ging. Die Beine waren schlank, sie trug helle Strümpfe und adrette schwarze Schuhe mit einem kleinen Absatz. Die Wangen glänzten von der Wärme.
    Claesson bemerkte, dass auch Lundin große Augen machte. Wie sie da mitten im inzwischen aufgewärmten und einigermaßen anonymen Saal des Folkets Hus standen, wirkten sie plötzlich wie zwei kleine verschämte Jungs.
    Sie gehörte definitiv nicht zu der gewöhnlichen Sorte Pfarrerinnen, wenn man nun mal die Vorurteile pflegte, dachte Claesson. Er stellte sich Pfarrerinnen robuster, formeller und farbloser vor. Als sei die Anspruchslosigkeit die Voraussetzung für einen inneren Kontakt mit dem Überirdischen, und nicht so ein Wesen wie dieses, mit warmem Lächeln und fast so hübsch wie ein Model, das die Augen zum Strahlen brachte und einen das Weltliche und Sinnliche bejahen ließ.
    Sie ging mit geradem Rücken und vorgeschobenen, schwingenden Hüften auf sie zu. Die Körperhaltung zeugte von Selbstwertgefühl, aber nicht notwendigerweise von Überheblichkeit. Es schien mehr, als ob sie im Gleichgewicht mit sich selbst lebte und offen für Kontakte sei, dachte Claesson.
    »Ich heiße Linda Forsell und bin Pfarrerin hier im Ort«, sagte sie und streckte eine Hand aus, die sie ihnen einem nach dem anderen gab, wobei sie den Oberkörper ein klein wenig vorbeugte und darauf achtete, ihre Blicke ein paar Sekunden länger einzufangen als üblich.
    Sie beherrscht die Kunst, Menschen zu sehen, dachte Claesson, und eine Wärme durchzog seine Brust. Er ertappte sich dabei, dass er dastand und die Frau anglotzte.
    Ein paar aschblonde Haarsträhnen waren aus der locker hochgesteckten Frisur gefallen, die das Gesicht sanft einrahmte. Die ganze Person wirkte hell. Eine Lichtgestalt, und das passte ja zu ihrem Beruf.
    »Was können wir für Sie tun?«, fragte Lundin großväterlich mit seiner tiefen Bassstimme und lächelte breit von einem Ohr zum anderen.
    »Ich wollte nur sagen, dass ich hier bin. Ich gehöre zur Krisengruppe, falls jemand Hilfe und Unterstützung benötigen sollte«, erwiderte sie und lächelte wieder, wobei sie einen leichten Überbiss entblößte, bei dem der eine Schneidezahn ein klein wenig über den anderen kletterte. Claesson fand das charmant. Natürlich war sie von der Gemeinderätin Kerstin Dahl geschickt worden.
    »Das ist sehr freundlich«, sagte Claesson.
    »Ich bin hier jetzt schon drei Jahre im Dienst und glaube, ein gewisses Vertrauen in der Gemeinde erworben zu haben«, sagte sie und sah die Männer abwechselnd an. »Wir haben beschlossen, dass die Krisengruppe sich im Gemeindehaus einrichten wird. Es ist unglücklich, dass wir diesen Sonntag keinen Gottesdienst hier in Hjortfors haben, wir wechseln uns nämlich zwischen den Kirchen des Bezirks ab, doch die Gruppe kann auch unter der Woche zusammengerufen werden, wenn es erforderlich sein sollte.«
    »Das ist gut«, verkündete Claesson und versuchte, begeistert zu klingen.
    »Ja, wir sind eine ganze Gruppe, die früher schon ausgesucht wurde, für den Fall, dass man ein Krisenteam braucht. Eigentlich hätten wir schon am Vormittag für alle da sein sollen, aber ich bin erst jetzt nach Hause gekommen. Ich hatte auch erst ganz kurzfristig gehört, was geschehen ist, im Autoradio nämlich. Kerstin Dahl, ja, die haben Sie ja schon kennengelernt, hatte auch versucht, mich zu erreichen. Aber jetzt bin ich hier«, sagte Linda Forsell.
    Die Pfarrerin war also nicht bei dem Maifeuer gewesen, dachte Claesson. Kerstin Dahl war übrigens gar nicht wieder aufgetaucht, sie wollte doch mit Kaffee kommen, aber vielleicht hatte sie anderes

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