Tod in Florenz
einen Blick über die Tore auf Robiglios Haus.
»Ich habe mir überlegt –«
»Wir fahren erst zu Berti, wenn es Ihnen recht ist«, unterbrach Niccolini. »Er weiß mehr über das Mädchen als sonst einer hier, und bei Gott, wenn er anfängt, mir auszuweichen, dann loche ich ihn ein, ehe er weiß, wie ihm geschieht.«
Berti war alles andere als ausweichend bei der Begrüßung.
»Sie sind also wieder da. Haben Sie Moretti festgenommen?«
Niccolini war von dieser Einleitung so überrascht, daß es ihm buchstäblich den Wind aus den Segeln nahm.
»Was meinen Sie damit?«
»Eine klare Frage, oder nicht? Wenn das Mädchen am Montag drüben war …«
»Was noch zu beweisen wäre. Soviel wir bis jetzt wissen, hätte sie ebensogut hier sein können.«
»Sie ist bei Moretti gefunden worden, oder? Es stört Sie hoffentlich nicht, wenn ich weiterarbeite …« Er saß an seinem üblichen Platz bei dem verklebten Fenster. »Sie wollen mir ja wohl nicht erzählen, daß Sie heute wieder etwas für Ihre Frau suchen.«
»Was geschehen ist, scheint Sie nicht sonderlich zu berühren.«
»Das Leben geht weiter«, sagte Berti und suchte bei seinen Farbtöpfen nach dem Pinsel, den er brauchte, »das Leben geht weiter. Keiner weiß das besser als ich. Ich kann Ihnen nicht beiden einen Platz anbieten, aber einer könnte sich setzen.«
Der staubige Stuhl, auf dem Guarnaccia gestern gesessen hatte, stand noch an der gleichen Stelle.
»Wir wollen keine Sitzplätze, wir wollen Informationen«, sagte Niccolini brüsk, »über das Mädchen.«
»Das haben wir doch alles schon mit Ihrem Chef vorhin durchgeackert, oder?«
»Und Sie hatten dazu nicht mehr zu sagen als die anderen, obwohl Sie am meisten Kontakt mit ihr hatten.«
Berti malte zart die Umrisse einer Blume auf den Teller vor ihm und legte den Pinsel beiseite. Er rieb seine Spinnenfinger und sah mit seinen glitzernden Äuglein von einem zum anderen.
»Wenn Sie das denken, was ich denke, was Sie denken, Niccolini, dann sind Sie auf dem falschen Dampfer.«
»Ach ja? Ich habe die Blicke gesehen, die Sie ihr zugeworfen haben.«
»Die Blicke, die ich Frauen zuwerfe, haben noch keiner geschadet. Im Gegenteil, sie mögen es. Es gab eine Zeit – und das ist noch gar nicht so lange her –, da konnte ich es mit dreien am Tag aufnehmen.« Die letzte Bemerkung richtete er aus irgendeinem Grund an den Maresciallo.
»Drei an einem Tag …«, und er machte eine plötzliche Bewegung mit den Fingern, die so vulgär war, daß der Maresciallo unwillkürlich einen Schritt zurückwich und beinahe mit der Tür zusammenstieß, die jemand versuchte aufzumachen.
»Mach zu, mach zu«, befahl Berti seinem unsichtbaren Besucher. »Geh weg, ich habe zu tun.«
»Wer ist das?« Niccolini fuhr herum, und der Maresciallo öffnete die Tür und sah gerade noch eine kleine Frau abdrehen und in ihren Pantoffeln zum Nachbarhaus zurückschlurfen.
»Das ist nur Tina«, sagte Berti und nahm seinen Pinsel wieder auf, »sie wohnt nebenan.«
»Deren Mann die Leiche gefunden hat? Was will sie von Ihnen?« Niccolini drängte sich am Maresciallo vorbei nach draußen. Die Frau war verschwunden. »Also«, sagte er beim Zurückkommen und stand riesengroß über dem runzligen kleinen Kunsthandwerker, als wolle er ihn bei lebendigem Leib verspeisen, »was will sie, wenn sie hier rüberkommt?«
»Sie ist meine Nachbarin, oder? Schaut ab und zu auf ein Schwätzchen vorbei.« Er kicherte leise in sich hinein und fügte hinzu: »Wenn Sie wirklich wissen wollen, weshalb sie kommt …« Er legte sorgsam seinen Pinsel weg und drehte sich zu einem Regal in seinem Rücken, auf dem ein Stapel staubiger Bücher über Majolika und einige lose Seiten aus Kunstzeitschriften lagen, aus denen er wohl Motive kopierte. Darunter lagen Hochglanzmagazine, von denen er eines herauszog und ihnen unter die Nase hielt. »Sie leiht sich gern so was hier aus. Schauen Sie sich’s ruhig an.«
Die grauen Spinnenfinger, die das große Pornobild hielten, ließen die grellen Farben noch schockierender wirken.
»Hören Sie auf damit, Berti«, bellte Niccolini.
»Sie wollten es wissen …« Berti bereitete es offensichtlich einen Heidenspaß, sie zu provozieren und, wie er glaubte, zu schockieren, und zwar besonders ihn, den Maresciallo, davon war Guarnaccia überzeugt. Ihm galt auch Bertis Augenzwinkern, mit dem er sagte: »Das Leben hier ist langweilig genug, da müssen wir uns die Abwechslung holen, wo wir sie finden.«
»Ich glaube«,
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