Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
Vom Netzwerk:
sagte der Maresciallo langsam, »ich unterhalte mich mal mit dieser Frau nebenan …«
    Er hatte keinen direkten Grund dafür, außer daß er nur allzugern Berti und seinem unordentlichen Studio entfloh mit dem penetranten Geruch nach Staub und Öl, Bertis höhnischem Gesicht und den Pornoheften. Niccolini hatte keine Einwände. Wahrscheinlich war er froh, daß sein Kollege für eine Weile verduftete, egal unter welchem Vorwand. Draußen atmete der Maresciallo erst einmal tief durch. Der Dunst, der vorhin die fahle Sonne verschleiert hatte, war jetzt dichter, und der Himmel über der hohen schwarzen Mauer und den Oberleitungen der Bahnlinie hatte ein einheitliches blasses Grau angenommen. Der Verkehr rauschte an ihm vorbei, während er auf dem Stück festgetretener Erde vor Bertis Tür stand. Ein langweiliges Leben … Und noch ehe der Tag zu Ende war, würde es mit ziemlicher Sicherheit wieder regnen.
    Hinter ihm wurde Niccolinis Stimme lauter, und er überlegte, ob nicht seine Gegenwart der wahre Grund des Ärgers war und nicht die verstockte Stadtbevölkerung. So oder so, abhelfen konnte er bei beidem nicht. Mit einem Seufzer drehte er sich um und klopfte an der kleinen Tür neben dem vergitterten Fenster. Die Katze war heute nicht da, aber der Geruch war so penetrant wie gestern, und er rümpfte die Nase, während er wartete. Es dauerte lange. Erst beim dritten Klopfen hörte er die schlurfenden Schritte der Frau, die jedoch unweit der Tür innehielten. Er war nicht überrascht, als er kurz darauf bei den scharrenden Hühnern ein Geflatter hörte und hinter den Gitterstäben ein bleiches Gesicht auftauchte, das ihn anstarrte. Er starrte zurück und wartete. Als es verschwand, klopfte er noch einmal fest an die Tür, für den Fall, daß sie dachte, er würde vielleicht aufgeben und weggehen, aber die schlurfenden Schritte kamen direkt zur Tür, die sich gerade weit genug öffnete, damit das Gesicht herausschauen konnte. Zu seiner Verwunderung war das Gesicht nicht abweisend; es zeigte eine kindliche Neugier.
    »Wer sind Sie?«
    »Guarnaccia. Maresciallo von den Carabinieri. Ich würde gern reinkommen und kurz mit Ihnen sprechen.«
    »Er wird nicht begeistert sein.«
    Trotz dieser Bemerkung tat die Tür sich weiter auf, und der Maresciallo nahm die Mütze ab und bückte sich etwas, um durchzukommen. Er befand sich in einem kurzen dunklen Korridor, wo es geradezu bestialisch nach Stall stank, so daß er froh war, als ihm die Frau rechts durch die Tür voranging, die er schnell hinter sich zumachte.
    »Ich lasse sie sonst immer offen«, sagte die Frau, die in der Mitte des Zimmers stehengeblieben war und ihn musterte.
    »Ich habe gern ein bißchen Luft. Aber vielleicht ist Ihnen kalt …«
    »Ja, stimmt«, versicherte der Maresciallo, »sehr kalt.«
    Das war auf jeden Fall nicht ganz unrichtig, und hoffnungsvoll schaute er durch einen weißgetünchten Bogen zur Küche, wo im Halbdunkel gemütlich ein Ofen bullerte, auf dem ein Topf mit Wasser dampfte. Aber die Frau blieb, wo sie war, in dem kleinen fensterlosen Raum, der kaum ein Plätzchen zum Hinsetzen bot, aber offenbar ihr Wohnzimmer war. Er wurde von einer nackten Glühbirne schlecht beleuchtet. Sie wies ihm einen harten, unbequemen Stuhl an, während sie selbst stehenblieb und ihm zusah, wie er sich setzte, die Mütze auf die Knie legte und sich seinerseits umsah. Als einziges Geräusch hörte man das Ticken einer altmodischen Uhr. Der Mittelpunkt des Zimmers war eine neue weiße Waschmaschine, darauf eine Vase mit Plastikblumen auf einem bunten Deckchen und darüber an der Wand ein trübsinnig wirkendes Hochzeitsfoto. Die Waschmaschine war das einzige Zugeständnis an die belebte Straße, die durch diese ländliche Gegend zu den neuen Industriegebieten führte. In jeder anderen Hinsicht erinnerte das Häuschen in seiner Armseligkeit den Maresciallo an die eigene Kindheit. Ihm fiel der etwas dümmliche Blick auf, den die Frau auf ihn gerichtet hielt, während sie wartete, daß er das Wort ergriff.
    »Ihr Mann ist bei der Arbeit?« fragte er schließlich und sah zu dem tristen Hochzeitsfoto.
    »EristdrübenaufderObstwiesebeim Bäumebeschneiden.«
    »Warum setzen Sie sich nicht auch hin?« schlug er vor, irritiert, daß sie so über ihm stand und ihn anglotzte.
    Sie setzte sich gehorsam und zog eine formlose Wolljacke um den Latz ihrer geblümten Schürze. »Kalt …« Sie stand wieder auf, und der Maresciallo folgte ihr auf dem Fuß, in der Annahme, sie gingen

Weitere Kostenlose Bücher