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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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er Billard spielen« – sie brach ab und sah zur Tür, als fürchte sie, daß er gleich hereinkommen und über sie herfallen könnte –, »da gehe ich meinen Bruder besuchen.«
    »Ach ja?«
    »Mit ihm darf ich reden.«
    Dasselbe hatte sie von Berti gesagt. Sie mochte ja ein etwas schlichtes Gemüt haben, aber es war kaum zu übersehen, daß die Einsamkeit in dem kahlen Haus, mit keiner anderen Gesellschaft als dem Ticken der Uhr und dem Scharren der Hennen, für sie ebenso real und seelentötend war, wie sie es für jeden anderen gewesen wäre.
    »Aber Sie sagen es ihm nicht, oder?«
    »Nein, nein …«
    »Wenn er es nämlich erfährt, dann schließt er mich ein. Wenn er richtig wütend wird, dann sagt er, man sollte mich in der Villa einsperren.«
    »In der Villa?«
    »Da oben.« Sie deutete mit einer plumpen Hand in die Richtung. »Deshalb dürfen Sie nichts verraten.«
    »Ich verrate nichts. Wann geht er immer Billardspielen?«
    »Donnerstags. Das ist heute.«
    Man konnte sich kaum vorstellen, daß sie die Wochentage verfolgte, die für sie alle gleich sein mußten, aber wenn der Donnerstag so wichtig war, dann tat sie es vielleicht doch. Es war einen Versuch wert.
    »Wann haben Sie die Signorina, die Ihnen die Postkarte geschenkt hat, zuletzt gesehen?«
    »Letzte Woche. Freitag hat es geregnet, und ich habe auf sie gewartet, weil ich Bertis Auto nicht gesehen habe.«
    »Und am Montag?«
    »Am Montag nicht.«
    »Nicht was?«
    »Berti ist früh gekommen. Ich habe das Auto gehört.«
    »Ich verstehe. Da haben Sie also nicht nach ihr Ausschau gehalten?«
    »Ich habe sein Auto vor dem Bus gehört, da habe ich gewußt, daß sie nicht zu mir kommt.«
    »Ah ja …« Na also, es war den Versuch wert gewesen.
    »Sie war auch nicht bei Berti. Ich weiß nicht, wo sie hingegangen ist. Ich habe gesehen, wie sie weiter unten an der Straße aus dem Bus gestiegen ist.«
    »Soso. Und in welche Richtung ist sie gegangen?«
    »Da entlang. Zur Stadt. Vielleicht wollte sie zu meinem Bruder. Er redet mit den Leuten, und sie redet gern mit Leuten. Ich auch. Vielleicht ist sie ja zu ihm gegangen.«
    »Vielleicht.«
    »Er heiratet irgendwann, und wenn er ein Baby hat, dann darf ich damit spielen.«
    »Das wäre nett …« Der Maresciallo dachte langsam ans Gehen. Er war bereit zu glauben, daß sie sich tatsächlich erinnerte, gesehen zu haben, wie das Mädchen am Montag aus dem Bus gestiegen und die Straße entlanggegangen war, aber ihre Aussage würde vor Gericht nicht bestehen, soviel war sicher. Er erhob sich steifbeinig, denn das kleine Zimmer war wirklich sehr kalt.
    »Sie wollen doch nicht gehen? Ich unterhalte mich gern mit Ihnen.«
    »Vielen Dank.« Sie war bestimmt der einzige Mensch in dieser Gegend, der sich bei ihm bedankte.
    »Wenn ich ein Baby hätte, dann würde ich mit ihm spielen und es anziehen. Ich hatte eins, aber es ist gestorben, und jetzt kann ich keins mehr haben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Sie haben alles rausgemacht.«
    »Es tut mir leid. Ich muß jetzt aber wirklich gehen …« Der Maresciallo war schon auf dem Weg zur Tür.
    »Ich zeige Ihnen ein Bild, wenn Sie wollen. Es war ein kleiner Junge – ich habe es in meiner Schachtel …« Sie schlurfte rasch in die Küche, und er mußte an der Tür stehenbleiben, seine Mütze zwischen den großen Händen drehen und warten.
    »Hier …« Sie kam zu ihm zurückgelaufen. »Sehen Sie, ist er nicht wunderhübsch?«
    Es war wirklich ein prächtiges Baby mit glatten, glänzenden Bäckchen und weichem, blondem Haar. Die kleine runde Patschhand griff nach dem Löffel mit gelblicher Kindernahrung, für die das sorgfältig aus einer Zeitschrift ausgeschnittene Foto warb.
    4
    Er beschloß, im Auto auf Niccolini zu warten und solange die Heizung anzustellen, um sich aufzuwärmen. Er brauchte nicht hinzuschauen, um zu wissen, daß Tina zwischendurch immer wieder hinter den Gitterstäben erschien, um nachzusehen, ob er noch da war. Vielleicht nahm sie es ihm übel, daß er sich ins Auto gesetzt hatte, statt bei ihr zu bleiben, aber dagegen konnte er nichts machen. Er hielt den Blick auf die hohe schwarze Mauer geheftet. Ein Zug dröhnte dahinter vorbei und ließ das Auto erzittern, dann nur noch Laster und ein paar Personenwagen auf der Straße. Keiner hielt hier an, keiner der Insassen wandte im Vorbeifahren auch nur den Kopf. Er überlegte, wie wohl Bertis Geschäfte gingen und mit wem er sie tätigte, und er saß noch nicht lange, da merkte er, wie er wünschte, es möge

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