Tod in Florenz
des alten Moretti. Die beiden einzigen Augenzeugen seines Verrats waren aus dem Weg, und er wollte zurückkommen und wieder ins Geschäft einsteigen. Das einzige Hindernis, wie er es sah, war ich. Ihm war klar, daß ich um seine Rolle im Krieg Bescheid wußte. Ich hatte ihn allzuoft nach der Sperrstunde auf dem Weg zu seinen üblen Machenschaften herumschleichen sehen. Er hatte Angst vor mir. Ich brauchte eine lange Bedenkzeit, um zu einer Entscheidung zu kommen, und dann stellte ich ihm eine Bedingung, die Ihnen vielleicht seltsam erscheinen mag. Ich erbat mir praktisch ein Geständnis von ihm, das heißt, ich bat um einen Brief, in dem er einen vollständigen Bericht der Ereignisse jener Nacht gab, inklusive seiner eigenen Rolle dabei; gleichzeitig versicherte ich ihm, daß ich nicht vorhatte, ihn offen zu denunzieren. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich wollte ihn nicht erpressen und sagte ihm das auch. Ich fand, daß es in der Vergangenheit schon genügend Zorn und Blutvergießen gegeben hatte, genügend bittere Vergeltungsmaßnahmen nach dem Krieg. Dennoch, wenn Ernesto zurückkam, würde er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln über kurz oder lang eine Machtposition in der Stadt einnehmen, das war mir klar, und dann mußte er nur noch meinen Tod abwarten und konnte sich ungestraft zum Heiligen erklären. Dieser Gedanke ließ mir keine Ruhe. Vielleicht hatte ich ja kein Recht dazu, aber ich bin froh, daß ich es getan habe, und wenn er sich zum Bürgermeister wählen läßt, dann erst recht. Ich lebe vielleicht nicht so lange wie er, aber dieser Brief wird überleben, und er kann nicht wissen, wem er in die Hände fällt, wenn ich nicht mehr bin. Ich will nicht sagen, daß er dadurch auf dem rechten Wege bleibt, aber er wird sehr darauf bedacht sein, in dieser Stadt nicht noch mehr Unheil anzurichten.
Ja, so war das. Er kam zurück, baute seine Fabrik und sein Haus wieder auf und heiratete. Sein Vater ist natürlich lange tot.
Jahrelang habe ich sie beobachtet, Ernesto Robiglio und den kleinen Moretti, wie sie gearbeitet und geplant haben und Anerkennung in der Stadt fanden. Moretti fand sie unbewußt, einfach indem er gute Arbeit leistete, anständige Löhne zahlte, sich um seine Familie kümmerte und niemandem etwas zuleide tat. Robiglio fand sie sehr bewußt, er bezahlte dafür. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob ihre Wege sich je kreuzen würden. Niemand außer mir selbst hat, nebenbei gesagt, je diesen Brief zu Gesicht bekommen. Moretti weiß davon. Als der alte Mann gestorben war und er die Fabrik übernahm, habe ich ihn hergebeten und ihm die Wahrheit über seine Herkunft gesagt. Ich habe ihm auch von dem Brief erzählt, als ich ihn bekam. Ich fand, er hatte ein Recht darauf, es zu wissen.
Und nun muß ich Ihnen wohl die Wahrheit über dieses Stück Land erzählen, das er als Mitgift für Tina von Robiglio gekauft hat. Ich versuche, fair zu sein. Der junge Moretti bedeutet mir viel, das haben Sie sicher schon gemerkt, aber ich will ihn nicht als Heiligen hinstellen, und es ist mir lieber, Sie kennen die Wahrheit, als daß Sie sich falsche Vorstellungen machen.
Was die Leute auch sagen mögen, die ursprüngliche Idee zu diesem Handel mit dem Land und Tina kam nicht von Moretti, sondern von dem schlauen alten Gauner, der sie geheiratet hat. Moretti war allerdings in einer Zwangslage; er wollte seine Schwester nicht in eine Anstalt geben, und zu sich nehmen konnte er sie auch nicht. Selbst wenn man von ihrem Verhalten einmal absieht, war da die Tatsache, daß sie inzwischen ein Kind erwarteten und einfach keinen Platz hatten. Es war eine gewisse Ironie, daß er nun in derselben Lage war wie einst ich, als ich ein Zuhause für ihn suchte. Jedenfalls kam er zu mir und erzählte mir die ganze Geschichte von dem Vorschlag des landgierigen Bauern und daß er als Mitgift billig ein Stück Land von Robiglio kaufen sollte, weil Robiglio, wie der Bauer sagte, ›es ihm schuldig sei‹ – Moretti, meine ich. Im Mittelpunkt des Ganzen stand der Brief. Der Bauer wußte nichts davon, er kannte nur die Geschichte, und die auch nur vom Hörensagen, aber Moretti wußte davon und kam zu mir, um mich darum zu bitten.
Ich weigerte mich. Er hatte mein ganzes Mitgefühl, und das sagte ich ihm auch, aber ich weigerte mich, den Brief herauszugeben. Ich riet ihm, wenn er es für richtig hielte, solle er doch versuchen, Robiglio auf jeden Fall zum Verkauf zu überreden, ohne herumzulavieren.
›Ich kann mir
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