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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Obstwiese rechts von ihnen wollte ein Traktor auf die Straße einbiegen.
    »He, nein!« Er hupte energisch. »Zurück mit dir, mein Freund, wir haben’s eilig!«
    Er hätte wohl gar nicht sagen können, warum sie es so eilig hatten. Aber es fragte ihn niemand danach, am wenigsten der Maresciallo, der schweigend und unbehaglich hinter seiner dunklen Brille neben ihm saß; er protestierte auch nicht, als er fast aus seinem Sitz geschleudert wurde, und war ausnahmsweise froh über Niccolinis überschäumenden Tatendrang, der seine eigene Spannung in gewisser Weise löste. Sie hatten über das, was sie eben gehört hatten, noch kein Wort gewechselt, aber durch schweigende Übereinkunft wußte er, daß sie zu Moretti fuhren und daß keine Zeit zu verlieren war. Eher, als wollten sie einen Mord verhindern, statt einen aufzuklären.
    »Verfluchte Ampel … gleich wird sie rot – da, ich wußte es!«
    Niccolini brachte den Wagen nicht ganz zum Stehen, sondern ließ ihn langsam Stück für Stück vorwärts rollen. Der Maresciallo, der sich schwerfällig und unbeweglich vorkam und nicht in der Lage, folgerichtig zu handeln, beobachtete, wie der große Stiefel mit dem Gaspedal spielte und die behandschuhte Hand ungeduldig aufs Lenkrad tippte, und dachte bei sich: Gott sei Dank hat er die Verantwortung; einer, der hellwach und fähig ist, der Entscheidungen treffen und Fakten zusammenfügen kann. Was ihn anging, so war sein Kopf voll von bewegten Bildern, einige aus erster Hand, andere durch die Erzählung des Doktors inspiriert, und alle bewegten sich immer langsamer, bis sie schließlich zu einzelnen Szenen erstarrten. Ein häßlicher kleiner Junge, der in einem Garten voller Zitronenduft nach einer verblühten Geranienblüte griff. Maria, rücklings auf dem Küchentisch liegend, ein bleiches, neugieriges Gesicht am Fenster des Hauses mit den sieben Klosetts, Berti, wie er aus der dunklen Höhle des Brennofens trat, dünn und grau, über die bröckelnden Backsteine des Ofeneingangs kletternd, Bertis Spinnenfinger, die den haarfeinen Pinsel drehten und wie durch Zauberei Muster entstehen ließen. Warum Berti? Was hatte es für einen Sinn, über ihn nachzudenken, wenn man es überhaupt nachdenken nennen konnte? Moretti war es doch, auf den es ankam, Moretti, auf dessen Fabrik sie zurasten, als die Ampel umsprang und der Wagen vorwärts schoß und ihn ins Polster drückte. Moretti, der … Wollten sie ihn verhaften oder schützen? Vielleicht war es an der Zeit, den Capitano hinzuzuziehen. Es war ja schön und gut, alle möglichen Informationen zu sammeln, aber man brauchte jemanden mit Köpfchen, um sie alle zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. In der Zwischenzeit war immerhin Niccolini da, der etwas tat, anstatt dämlich herumzusitzen, den Kopf voll wirrer Bilder … »Ich kann nur sagen, ein Glück, daß Sie da sind.« Die Worte kamen aber von Niccolini.
    »Ich …?«
    »Wenn Sie nicht daran gedacht hätten, daß wir eine Wache bei Morettis Fabrik aufstellen sollten …«
    Der Maresciallo antwortete nicht. Er hatte es schlicht und einfach vergessen.
    »Ich mache mir Sorgen, das kann ich Ihnen sagen – komm schon, los, entweder gibst du Gas, oder du fährst rechts rüber! Wir mußten uns natürlich gerade die Zeit aussuchen, wo jeder Hinz und Kunz zum Mittagessen heimfährt! Es gefällt mir nicht. Es gefällt mir ganz und gar nicht. Ihnen ist klar, daß in dieser Stadt jeder weiß, was wir eben erfahren haben? Wir könnten Ärger kriegen. Sie sagen gar nichts. Meinen Sie, ich übertreibe?«
    »Nein, nein …«
    »Nun, Sie sind sehr zugeknöpft. Was ist los mit Ihnen?«
    Er warf einen Blick zur Seite. »Sie sehen aus wie eine brütende Henne.«
    »Wie?«
    »Sie sehen aus, wie meine Frau immer aussah, wenn sie im neunten Monat war. Na, ich kann nur hoffen, daß Sie eine blendende Idee ausbrüten, die dieses kleine Problem für uns löst.«
    »Ich habe nie Ideen.«
    »Also irgend etwas ist im Schwange, wenn ich Sie so ansehe. Wahrscheinlich beunruhigt Sie diese Kriegsgeschichte. Er erzählt ja wirklich ohne Punkt und Komma, unser Freund Frasinelli. Aber ich muß sagen, er hat mich beeindruckt. Komisch, wie oft hört man solche Dinge ganz allgemein und denkt sich nichts weiter dabei. Sie wissen, was ich meine – jemand läßt eine Bemerkung fallen: ›Der Soundso ist im Krieg von den Deutschen umgebracht worden, oder Soundso kam aus dem Krieg, und seine Frau war von einem feindlichen Soldaten geschwängert worden‹, und

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