Tod in Garmisch
vorweg.
»Der Felbermayr wär da nicht langgegangen«, sagte
Schafmann und wunderte sich, dass Schwemmer lachte. Er hatte es ernst gemeint.
Frau Isenwald schüttelte Dräger die Hand.
»Wir haben beide Seiten über der Klamm absuchen
lassen«, sagte Dräger, »und ich bin selber beim ersten Lichtstrahl unterwegs
gewesen, aber Sie sehen: Schneeschmelze. Hier fließt überall Wasser, spült
alles weg. Selbst wenn hier was war …« Er hob die Hände. »Wir wissen nicht, was
wir suchen, nicht, wo wir suchen sollen, nicht mal, wann es passiert ist.« Der
junge Kommissar grinste sie an, als fühle er sich mit dieser Aufgabenstellung
so richtig wohl. »Wir werden tun, was wir können.«
Frau Isenwald nickte verständnisvoll.
»Was haben wir denn?«, fragte Schwemmer.
Dräger zog sein Notizbuch aus der Jackentasche.
»Abdrücke von sieben verschiedenen Paar Schuhen …«
»Sieben?«, fragte Schafmann.
»Touristen«, sagte Schwemmer.
»Ein gebrauchtes Kondom«, fuhr Dräger fort.
»Hier?« , quietschte
Schafmann.
Schwemmer sah den Hang zur Klamm hinunter. »Am Rande
des Abgrunds. Das muss aufregend gewesen sein«, sagte er.
Frau Isenwald gab sich unbeeindruckt. »Es gibt nichts,
was es nicht gibt, meine Herren. Aber wem sag ich das?«
Schwemmer sah sie von der Seite an. Sie mochte
fünfundzwanzig Jahre jünger sein als er, und er nahm ihr die abgebrühte Masche
nicht ab. Aber sie war gut in ihrem Job. Frühmorgens vielleicht zu energisch,
für Schwemmer jedenfalls. Aber sie war gut.
»Ein Schweizer Messer, stark verschmutzt, liegt
augenscheinlich schon seit Jahren hier, eine Sicherheitsnadel, ein Fernglas,
neunzehn leere Getränkedosen und eine Stimmgabel«, vervollständigte Dräger
seine Aufzählung.
»Eine Stimmgabel«, echote Schafmann.
»Wie ich es sagte.«
»Nun ja«, sagte Frau Isenwald.
Schwemmer sah nachdenklich den Westhang hoch, an dem
sie standen. Schafmann folgte seinem Blick. Er konnte dort oben nichts von
Interesse entdecken. Schafmann sah seinen Chef von der Seite an, was der nicht
bemerkte, weil ihm offenbar irgendeine Idee gekommen war, die dort oben auf dem
Hang ihren Ursprung hatte. Und Schafmann kannte Schwemmer gut genug, um zu
wissen, dass man ihn dann und wann alleine lassen musste.
»Frau Dr. Isenwald«, sagte er also.
»Herr Kriminaloberkommissar Schafmann«, antwortete die
Staatsanwältin mit einem sehr breiten Lächeln.
»Falls Ihr Wagen unten an der Graseckbahn steht,
könnten Sie mich dann mit zurücknehmen?«
Frau Isenwald wirkte einigermaßen verblüfft, und Schafmann
hoffte sehr, dass sie nicht den dankbaren Blick bemerkt hatte, den Schwemmer
ihm zugeworfen hatte.
»Ich dachte, Sie führen mit Herrn Schwemmer zurück«,
sagte Frau Isenwald.
»Ich muss zum Arzt.«
Frau Isenwald war sofort ganz Mitleid. »Was haben Sie
denn?«, fragte sie besorgt.
»Magen«, antwortete Schafmann und wurde daraufhin von
der Staatsanwältin umgehend abgeführt. An der Brücke drehte sie sich noch
einmal um und winkte freundlich.
Schwemmer winkte zurück.
»Nicht vergessen: morgen acht Uhr bei den
Medizinmännern!«, rief sie.
Schwemmers winkende Hand erstarrte. »Um acht? In
München?«
»Genau! Pfüat Eane!«
»Servus«, murmelte Schwemmer.
Um acht, dachte er. In München. Na toll.
»Darf ich jetzt da rauf?«, fragte er Dräger, als die
beiden weg waren.
Der Spurensicherer nickte. »So einen Mist hab ich
selten erlebt. Da haben wir mal einen echten Fall, und ich stochere hier in
einem Heuhaufen herum.« Er sah aus, als freue er sich darauf.
»Dann will ich mal mitstochern«, sagte Schwemmer und
begann den Hang hochzuklettern. Nach ein paar Dutzend Metern hielt er an und
suchte den Boden ab.
Er hoffte, es sah glaubhaft aus, denn in Wahrheit rang
er nur nach Atem. So ging es weiter, und es dauerte fast eine halbe Stunde, bis
er das Ende des Steilhangs erreicht hatte.
Hier wollte er hin.
Schwemmer ließ sich auf einen Baumstumpf sinken und
wischte sich mit dem Jackenärmel den Schweiß von der Stirn.
Ich sollte wohl mehr Sport machen als immer nur
Eishockey, dachte er. Zumal sein Eishockey aus zwei seit vierundzwanzig Jahren
gültigen Sitzplatzdauerkarten für die Weiß-Blauen bestand.
Es dauerte eine Weile, bis er wieder zu Atem gekommen
war, aber dann ging er südwärts, dabei konzentriert auf jedes Detail achtend.
Er genoss die Ruhe um sich herum, hörte einen einsamen Vogel zwitschern, dann
in der Ferne eine Motorsäge. Seinem Blick entging nichts.
Die vielfachen
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