Tod in Garmisch
Etliche Körner steckten im Baum. Der
Einschuss schien nicht sehr alt zu sein. Er nahm sein Handy und rief Dräger an.
Der Kollege war einerseits erfreut über die neue Spur,
andererseits meinte Schwemmer Ärger in seiner Stimme zu hören, darüber, dass
Schwemmer und nicht er den Einschuss entdeckt hatte.
Schwemmer beschrieb ihm möglichst exakt seinen
Standort und hoffte, dass Dräger fitter war als er selbst und er nicht ewig auf
ihn warten musste.
Er sah sich den Einschuss noch einmal genau an. Ein
Teil der Schrotladung war an dem Baum vorbeigegangen, an der linken Seite des
Stammes war Rinde abgerissen, nur ein kleiner Teil der Ladung steckte im Stamm.
Schwemmer versuchte, daraus den ungefähren Einschusswinkel abzuleiten. Der
Schuss war auf jeden Fall von der Talseite gekommen.
Es mochte der fehlgegangene Schuss eines Jägers
gewesen sein, aber natürlich mussten sie jede Spur auswerten.
Schwemmer sah sich um. Die Büsche erschwerten den
Blick Richtung Tal. Er ging weiter um das Gehölz herum und stieß nach wenigen
Metern auf zwei leere Schrothülsen, die auf dem nadelbedeckten Waldboden lagen.
Er runzelte die Stirn. Das sieht ja fast nach einer
Schießerei aus, dachte er.
* * *
Magdalena überlegte, welche Warnlampe da wohl
geleuchtet hatte, und tippte auf Batterie. Schon als Kind hatte sie Hias
zugesehen, wenn er an den Maschinen auf dem Hof herumschraubte, später hatte
sie ihr Motorrad selbst gewartet, bis sie dann zur Hotelfachschule ging und für
Motoren nicht mehr viel Zeit geblieben war.
Wo war bei diesem Wagen eigentlich die Batterie?
Bisher hatte es für diese Frage nicht den geringsten Grund gegeben, was klar
für das Auto sprach. Sie musste irgendwo unter den Sitzen sein.
Sie fummelte so lange unter dem Fahrersitz herum, bis
sie ihn nach hinten klappen konnte. Tatsächlich fand sie die Batterie, aber es
gab nichts, was daran verdächtig aussah.
Als sie ein Auto aus dem Tal kommen hörte, unterbrach
sie ihre Fehlersuche und sah ihm hoffnungsvoll entgegen. Egal, wer es war, er
konnte sie wenigstens zum Hof bringen. Aber als sie den schwarzen Maserati
erkannte, stutzte sie.
Herr Kant hielt hinter ihrem Wagen an und stieg aus.
»Na so was«, sagte er. »Ich dachte nicht, dass
Garmisch-Partenkirchen so klein ist.«
»Ich auch nicht«, antwortete Magdalena. Was hatte der
Mann hier zu suchen? Und ausgerechnet jetzt?
Herr Kant trug einen Anzug aus grobem sandfarbenem
Stoff mit dezenten Lederapplikationen, die ihm einen Touch ins Rustikale gaben
und ihn doch elegant wirken ließen.
Er kam auf sie zu und nahm die Sonnenbrille ab.
»Probleme?«, fragte er.
Magdalena versuchte, ihm nicht zu direkt in die
braunen, mit goldenen Punkten gesprenkelten Augen zu starren. Also sah sie zu
ihrem Auto.
»Er ist einfach ausgegangen«, sagte sie. »Was machen
Sie hier?«
»Ich schau mir die Gegend an. Ich fahre gerne kleine
Straßen.«
Er sah sich die Batterie an, wackelte an den Kabeln,
dann ging er in die Hocke und sah unter den Wagen.
»Wollen Sie zu unserem Hof?«
»Der Meixner-Hof? Der ist da oben? Das wusste ich
nicht. Und der Motor ist einfach ausgegangen?«
»Ja. Erst ein Warnlicht, und dann tat sich gar nichts
mehr.«
Kant ging zu seinem Wagen und öffnete den Kofferraum.
Als er hinter der geöffneten Klappe wieder auftauchte, hatte er das Jackett
abgelegt und trug einen recht großen Aluminiumkoffer in der Hand.
»Haben Sie vielleicht eine Decke?«, fragte er.
»Eine Decke? Nein … tut mir leid.«
»Schade.« Er öffnete den Koffer. Magdalena hob die
Brauen, als sie das fein säuberlich sortierte, saubere Werkzeug sah, das von
der Feinmechanikerzange über elektrische Messgeräte bis hin zu einem
Steckschlüsselsatz reichte. Kant zog zielstrebig eine kleine Taschenlampe
heraus und legte sich auf den Asphalt neben ihren Wagen.
»Aber Ihre Sachen …«, sagte Magdalena unsicher.
»Ich bin in einem guten Hotel. Die werden das
reinigen.«
Er leuchtete unter das Auto, angelte dann mit dem Arm
nach etwas.
»Der junge Mann am Empfang ist aber ein fleißiger
Bursche«, sagte er. »War der nicht schon die Nacht über da?«
»Ja, Sie haben recht. Aber es ist ein Notfall …«
»Notfall? Ist auf dem Hof was passiert?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie sind doch dahin unterwegs, oder schauen Sie sich
auch die Gegend an? Ah, dacht ich’s mir doch. Das zentrale Massekabel ist ab.«
»Den Verdacht hatte ich auch schon. Können Sie das
reparieren?«
»Eigentlich kein Problem, nur ist
Weitere Kostenlose Bücher