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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Prinz-Albrecht-Straße Nr. 8, um Sturmbannführer Otto Graf eine Frage zu stellen, die er nicht am Telefon hatte stellen wollen. Gegen eine Stange Lucky Strikes erzählte Graf ihm, dass Eva Brücke am 19. Januar gestorben war. Als er an jenem Nachmittag aus Berlin abflog, fiel ihm kein Grund ein, warum er je zurückkommen sollte.
    Lehrer hatte ihm versprochen, dass seine Aufgabe sich verändern würde, doch bis zum April 1943 war er ausschließlich damit beschäftigt, Wolfram aus Portugal herauszuschmuggeln. Erst Anfang Mai begann er, den Transport von Gold- und Silberbarren zu organisieren. Die erste Ladung umfasste mehr als viertausend Kilo Gold, die von der Schweizer Grenze nach Madrid gebracht werden mussten, wo das Gold bei der Spanischen Nationalbank deponiert wurde. Im Juni folgten zwei weitere Transporte. Anfang Juli führte er erstmals seit Beginn der Wolfram-Kampagne wieder einen Konvoi nach Portugal und deponierte 3400 Kilo Gold in den Tresoren der Banco de Oceano e Rocha. Für vierhundertachtzig Kilo kaufte er bei der Banco de Portugal Escudos, der Rest wurde an die Banco Alemán Transatlântico in Saõ Paulo, Brasilien, verschifft. Es folgte die Schlacht am Kursker Bogen, und am 13. August 1943 traf er Lehrer in Rom.
    Lehrer hatte in drei Monaten zehn Kilo abgenommen, sein Gesicht war dauergerötet, und das war kein Sonnenbrand. Im Restaurant schob Lehrer sein Essen lustlos auf dem Teller herum, dazu trank er zweieinhalb Flaschen Rotwein, bevor er auf Grappa umstieg. Drei- oder viermal verzog er schmerzhaft das Gesicht und hielt sich den Magen. Erst rauchte er seine eigenen Zigaretten auf, dann machte er sich über Felsens Packung her.
    »Wir haben Kursk verloren«, sagte er.
    »Das habe ich gehört«, sagte Felsen. »Wir hatten in Lissabon mehrere Tage Verdunklung.«
    »Dann ist der Krieg also endlich bei euch da unten angekommen?«, fragte Lehrer unfreundlich.
    »Poser hat sich erschossen.«
    »Hoffentlich nicht in den Kopf«, meinte Lehrer. »Das hätte ihn nicht umgebracht.«
    »Was ist mit dem Wolfram?«
    »Scheiß auf das Wolfram. Wissen Sie nicht, was Kursk bedeutet?«, platzte Lehrer plötzlich wütend los, sodass Felsen unter dem Tisch die Fäuste ballen musste, um Ruhe zu bewahren. »Kursk bedeutet, dass wir keine panzergeführte Armee mehr haben. Der Blitzkrieg ist vorbei. Die Russen haben in Tscheljabinsk eine neue Fabrik aufgemacht, während unsere täglich von den Bombern der Alliierten zerstört werden. Die Rote Armee ist nur noch 1500 Kilometer von Berlin entfernt. Wir brauchen kein Wolfram. Wir brauchen ein verdammtes Wunder.«
    »Was ist mit panzerbrechender Munition?«
    »Speer benutzt jetzt ein Metall namens Uran aus einem Projekt zur Entwicklung einer speziellen Bombe, das abgebrochen werden musste.«
    »Ist das das Ende von Wolfram?«
    »Für Sie schon. Abrantes kann den Transport weiterführen. Ihr Auftrag ist es ab sofort, so viele Goldbarren wie möglich aus der Schweiz nach Spanien und Portugal zu bringen. Was die anschließende Verwendung betrifft, warten Sie weitere Anweisungen ab.«
     
    In dem Jahr seit jenem Treffen in Rom hatte Felsen annähernd zweihundertfünfzig LKW-Ladungen an Goldbarren an der Schweizer Grenze in Empfang genommen und auf die Iberische Halbinsel gebracht. Von dort wurde das Gold nach Argentinien, Uruguay, Brasilien, Peru und Chile verschifft. In dieser Zeit wurde Felsen zu Lehrers vertrautestem Untergebenen. Doch er wollte mehr als nur Lehrers Kollege sein, er bemühte sich darum, eine Art Sohn für ihn zu werden. Als Salazar am 1. Juni 1944 ein komplettes Embargo für Wolfram verhängte, war Felsens Triumph total. Wenn er und Lehrer sich nun trafen, gaben sie sich nicht die Hand, sie umarmten sich. Lehrer erlaubte sich sogar, sentimental zu werden. Sie nannten einander Oswald und Klaus. Für Lehrer war Felsen zu einer Festung der Sicherheit in einem Europa des Chaos geworden.
     
    Ein Klopfen an der Tür scheuchte Felsen aus dem Bett. Er drückte seine Zigarette aus und zog sich einen Bademantel über. Als er die Zimmertür aufschloss, drängte Lehrer ins Zimmer, eine in Stoff gewickelte Rolle unter dem Arm, einen gelbbraunen Umschlag in der Hand.
    »Ist der LKW verladen, Klaus?«, fragte er.
    »Er wurde heute Morgen um sechs Uhr auf das Deck der SS Juan Garcia herabgelassen.«
    Lehrer lehnte die Rolle an die Wand, legte den Umschlag auf den Tisch und bediente sich an Felsens Frühstück. Er hatte wieder zugenommen und im Laufe des vergangenen Jahres

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