Tod in Lissabon
abgestürzt?«
»Tut mir Leid, Zé«, sagte er.
»Heißt das, er ist immer gerade dann abgestürzt, wenn ich anrufe?«
»Das kann ich nicht sagen.«
Ich wählte die Privatnummer des Anwalts, und das Hausmädchen nahm ab. Ich erklärte ihr, dass ich sie sprechen wolle. Sie sagte, sie sei allein im Haus.
Ich stieg in den Zug nach Cascais, und um zehn Uhr war ich durch den historischen Ortskern unterwegs zum Haus des Anwalts. Ich klingelte, und das Mädchen öffnete die Tür, doch hinter ihr trat Dr. Aquilino Oliveira in den Flur.
»Vielen Dank, Mariana«, sagte er und trug ihr auf, uns Kaffee zu bringen. Er ging in sein Arbeitszimmer und blieb vor dem Schreibtisch stehen, ich folgte ihm.
»Ich hatte Sie nicht erwartet, Inspektor«, sagte er. »Ich habe in Ihrem Büro angerufen, doch man sagte mir, dass Sie den Fall nicht mehr bearbeiten. Ich wurde zu einem Inspektor Abílio Gomes durchgestellt. Selbstverständlich nicht Ihr Kaliber, aber zweifelsohne kompetent. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin gekommen, um Ihnen mein Mitgefühl auszusprechen. Zum Tod Ihrer Frau. Es ist schwer zu glauben, was Sie in den letzten achtundvierzig Stunden mitmachen mussten.«
Er setzte sich langsam auf seinen Stuhl, ohne den Blick von mir zu wenden.
»Vielen Dank, Inspektor Coelho«, sagte er. »Ich dachte, dass Polizisten sich kein Mitgefühl leisten können.«
»Eine meiner Schwächen … aber vielleicht auch eine Stärke.«
»Ist es das, was Sie antreibt, Inspektor?«
»Ja«, sagte ich, »das … und mein ungebrochener Glaube an die Heiligkeit der Wahrheit.«
»Sie müssen ein einsamer Mann sein, Inspektor«, sagte er.
»Dann ist da noch der Aspekt des Rätselhaften«, sagte ich, bemüht, meine Verlegenheit zu überspielen. »Die Menschen brauchen Rätsel.«
»Schließen Sie nicht von sich auf andere.«
»Ja, mag sein, dass Anwälte und Rätsel nicht zusammenpassen.«
»Nun, wir lieben es, die Dinge zu mystifizieren … hat mir jedenfalls einmal ein Mandant gesagt.«
Mariana brachte den Kaffee, goss zwei Tassen ein und verließ das Zimmer wieder.
»Ihre Frau hat mich am Abend vor ihrem Tod aufgesucht, Senhor Doutor. Wussten Sie das?«
Er blickte von seinem Kaffee auf, blinzelnd und wachsam, als wollte er mir in den Kopf sehen.
»Sie hat schon früher versucht, sich umzubringen, Inspektor. Wussten Sie das?«
»Wie oft?«
»Fragen Sie im hiesigen Krankenhaus nach. Man hat ihr schon zweimal den Magen ausgepumpt. Beim ersten Mal hat Mariana sie gerade noch rechtzeitig gefunden. Das war vor etwa fünf Jahren. Beim zweiten Mal habe ich sie gefunden. Im vergangenen Sommer.«
»Worauf haben Sie diese Suizidversuche zurückgeführt?«
»Ich bin kein Psychiater. Ich weiß nicht, wie Neurosen sich auf das menschliche Hirn auswirken. Ich verstehe nichts von Störungen der chemischen Balance und dergleichen.«
»Eine Neurose rührt häufig von einem ursprünglichen Trauma her, das das Opfer zu verdrängen sucht.«
»Das klingt ziemlich richtig, Inspektor. Woher wissen Sie solche Dinge?«
»Meine verstorbene Frau hat sich für das Werk von CG. Jung interessiert«, sagte ich. »Ist Ihnen irgendetwas bekannt, was diese Neurose hätte auslösen …«
»Hat meine …? Was hat meine Frau Ihnen an jenem Abend erzählt?«
»Sie hat gesagt, dass Ihre Ehe von Anfang an nicht funktioniert hätte. Ich fand, dass fünfzehn Jahre eine lange Zeit für eine nicht funktionierende Beziehung waren. Sie schien gleichzeitig Angst vor Ihnen zu haben und von Ihnen abhängig zu sein. Die kleine demütigende Inszenierung zu Beginn unserer Ermittlung hat meinen Eindruck bestätigt.«
»Und meinen Sie, die Tatsache, dass sie eine Affäre mit einem zehn Jahre jüngeren Mann hatte, hätte mich nicht gedemütigt?«
»Wann haben Sie von dem Liebhaber erfahren?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
»War es vielleicht im vergangenen Sommer?«
»Ja, ja … genau, im letzten Sommer.«
»Wie haben Sie es erfahren?«
»Ich habe eine Hemdenquittung aus einem Laden gefunden, in dem ich nie einkaufe.«
»Haben Sie Ihre Frau zur Rede gestellt?«
»Ich habe abgewartet und beobachtet. Schließlich hätte das Hemd auch für ihren Bruder gewesen sein können. Ich wusste, dass dem nicht so war, aber mein Beruf verlangt es, sich sicher zu sein.«
»Und wie haben Sie sie zur Rede gestellt?«
»Nichts von alldem ist relevant für die Untersuchung des Mordes an meiner Tochter, Inspektor«, entgegnete er kühl. »Vor allem, wo Sie jetzt nicht mehr an
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