Tod in Lissabon
Goncalves’ alter Personalakte fragte. Ich hoffte, dass er nicht allzu sehr ergraut war, denn das jüngste Foto stammte aus der Zeit kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst und war zehn Jahre alt.
Carlos hatte derweil den 12. Mai 1982 als Hochzeitstag der Oliveiras ermittelt. Ich trug ihm auf, in den Akten ein vorzeigbares Foto von Xeta, dem in Alcântara ermordeten Stricher, sowie ein Bild von Teresa Oliveira zu suchen, auf dem sie möglichst jung aussah. Mit dem Gefängnis von Caxias verabredete ich für elf Uhr dreißig einen Besuchstermin mit dem Gefangenen Nr. I178493. Anschließend rief ich Inácio von der Drogenfahndung an und fragte ihn, ob der Fischer Faustinho Trindade nach wie vor in Untersuchungshaft saß. Das war nicht der Fall.
Zunächst fuhren wir zum Haus der Rodrigues in Lapa. Das Hausmädchen öffnete die Tür und ließ uns auf der Schwelle warten. Lurdes Rodrigues nahm sich Zeit. Sie wollte uns nicht im Haus haben. Ihre Miene war unverhohlen feindselig.
»Was noch, Inspektor?«, fragte sie.
»Nur eine Frage, Senhora Rodrigues. War in der Woche zwischen Samstag, dem 13. Juni, und Freitag, dem 19. Juni, irgendjemand im Haus, den Sie nicht kannten?«
»Was für eine Frage, Inspektor. Glauben Sie wirklich, ich wüsste noch …«
»Ich meine Handelsvertreter, Lieferanten, Handwerker, Männer, die den Stromzähler abgelesen haben …«
»Das müssten Sie das Hausmädchen fragen«, sagte sie und zog sich ins Haus zurück. »So etwas würde sie mir wahrscheinlich nicht mal erzählen.«
Das Hausmädchen kam allein vor die Tür, und ich wiederholte meine Frage. Sie dachte kurz nach und riss dann plötzlich die Augen auf.
»Der Einzige, den ich nicht kannte, war der Telefontechniker, aber die schicken ja jedes Mal einen anderen.«
»Wie kommt, dass Sie sich nach so langer Zeit noch an ihn erinnern?«
»Er hatte einen Hut auf, den er selbst im Haus nicht abgenommen hat, auch als ich ihn wütend angestarrt habe.«
»Was hat er denn gesagt, was mit dem Telefon nicht in Ordnung wäre?«
»Die Leute aus der Nachbarschaft hatten sich über ein Rauschen in der Leitung beklagt, und er wollte alle Anschlüsse überprüfen.«
»Hatte er irgendwas bei sich?«
»Einen Koffer mit Werkzeugen und eins von diesen Telefonen, mit denen sie Testanrufe machen.«
»Haben Sie auch einen Blick in seinen Koffer werfen können?«
»Er hat ihn aufgemacht, aber das hat mich nicht groß interessiert.«
»Wo waren Sie währenddessen?«
»Es gibt drei Anschlüsse«, sagte sie. »Einen im Wohnzimmer und zwei in Senhor Rodrigues’ Arbeitszimmer. Der eine ist ein Faxanschluss.«
»Haben Sie den Techniker allein gelassen?«
»Natürlich. Ich werde doch nicht eine halbe Stunde lang einem Handwerker bei der Arbeit zusehen.«
»Eine halbe Stunde?«
»Vielleicht auch weniger.«
»Haben Sie seinen Transporter gesehen?«
»Nein. Er hatte keinen Transporter.«
»Und Sie haben ihn eine halbe Stunde lang im Arbeitszimmer allein gelassen?«
»Nein, im Arbeitszimmer bloß eine Viertelstunde.«
Ich zückte das Foto von Lourenço Gonçalves.
»Ist das der Mann, den Sie gesehen haben?«
Ohne eine erkennbare Spur von Überraschung betrachtete sie das Bild. »Er war grauer«, meinte sie, »aber das war er.«
Wir fuhren über die Avenida Marginal nach Caxias. Das Gefängnis lag auf der Kuppe eines Hügels, und einige der Häftlinge durften einen Meerblick genießen, wie er in der Gegend kaum teurer zu kriegen war. Unter den Augen von ein paar bestenfalls beiläufig interessierten Insassen auf der anderen Seite parkten wir vor dem Absperrgitter, welches das Gelände umgab.
Wir nahmen in einem leeren Vernehmungszimmer Platz, während ein Wärter den Häftling aus seiner Zelle holte. Das strenge Gefängnisleben hatte Miguel Rodrigues’ Figur gut getan. Er hatte schätzungsweise fünfzehn Kilo abgenommen, doch sein Gesicht wirkte deprimiert und grau, seine Augen matt. Er hatte seine manikürte Eleganz eingebüßt, seinen Milliarden-Escudo-Glanz.
»Wenn es um die Angelegenheit mit General Machedo geht«, sagte er, ohne sich hinzusetzen, »rede ich nur in Anwesenheit meines Anwalts.«
»Das ist Sache der Spanier«, sagte ich. »Ich brauche lediglich Ihre Hilfe bei ein paar Daten und Terminen.«
»Termine sind hier drinnen nicht mehr so wichtig«, erwiderte er.
»Es könnte Ihnen helfen.«
»Oder auch nicht«, sagte er.
»Wussten Sie, dass Sie in den neun Monaten vor Ihrer Verhaftung beschattet worden sind?«
»Von der
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