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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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der Rua da Alfândega und bog dann links in die Rua da Madalena ein, die steil anstieg, bevor sie zum neumodischen Largo de Martim Moniz hin – einem Platz mit Kiosken aus Glas und Stahl und gelangweilten Springbrunnen – wieder abfiel. Bergan auf der Rua de São Lázaro beschleunigten wir wieder und fuhren am Hospital de São José vorbei auf einen Platz, der von der Fassade des Instituts für Gerichtsmedizin mit Giebeldreieck und Säulen beherrscht wurde. Carlos zog seine Jacke aus, das Hemd darunter war verschwitzt.
    Als wir das Institut erreichten, setzte der Anwalt gerade seine ganze Überzeugungskraft ein, um zu bekommen, was er wollte – doch das Personal war schwerer zu beeindrucken als ein Richter. Ich ließ ihn in Carlos’ Obhut und ordnete an, dass die Leiche zur Identifikation vorbereitet wurde. Ein Angestellter führte Dr. Oliveira herein. Der Assistent schlug das Laken zurück. Der Anwalt blinzelte zweimal und nickte. Er nahm dem Assistenten den Zipfel des Lakens aus der Hand, schlug es ganz zurück und betrachtete den Körper eingehend. Dann deckte er die Tote wieder zu und verließ den Raum.
    Wir fanden ihn auf der Straße. Er putzte endlos seine Sonnenbrille, und seine Miene wirkte äußerst entschlossen.
    »Mein Beileid für Ihren Verlust, Senhor Doutor«, sagte ich. »Und meine Entschuldigung dafür, dass ich es Ihnen nicht früher gesagt habe. Sie haben alles Recht der Welt, wütend zu sein.«
    Aber er sah nicht wütend aus. Die anfängliche Entschlossenheit war verflogen, und in seiner Gefühlsverwirrung wirkte er seltsam schlaff, als würde ihm schon das bloße Atmen größte Konzentration abverlangen.
    »Lassen Sie uns in den Park gehen und uns in den Schatten setzen«, sagte ich.
    Wir nahmen ihn in die Mitte, überquerten den Platz und setzten uns zu dritt auf eine überraschend kühle Bank, ein wenig abseits der Taubenfütterer und Kaffeetrinker auf den Plastikstühlen rund um das Café.
    »Es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich bin froh, dass Sie die Ermittlungen im Mordfall meiner Tochter leiten«, sagte der Anwalt. »Ich weiß, dass Ihr Job schwierig ist, und mir ist ebenso klar, dass ich ein Verdächtiger bin.«
    »Ich beginne immer mit denen, die dem Opfer am nächsten stehen … Das ist leider eine traurige Tatsache.«
    »Stellen Sie Ihre Fragen, dann muss ich zurück zu meiner Frau.«
    »Natürlich«, sagte ich. »Wann waren Sie gestern bei Gericht fertig?«
    »Gegen halb fünf.«
    »Wohin sind Sie von dort aus gefahren?«
    »In meine Kanzlei. Ich habe ein kleines Büro auf dem Chiado an der Calçada Nova de S. Francisco. Ich habe am Campo Pequeno die Metro genommen, bin in Rotunda umgestiegen und in Restauradores ausgestiegen. Ich bin zum Elevador de Santa Justa gelaufen, den Chiado hinaufgefahren und von dort weiter zu Fuß ins Büro gegangen. Alles in allem habe ich etwa eine halbe Stunde gebraucht und bin noch eine weitere halbe Stunde dort geblieben.«
    »Haben Sie mit irgendwem gesprochen?«
    »Ich habe einen Anruf bekommen.«
    »Von wem?«
    »Der Minister für Innere Verwaltung hat mich auf einen Drink in den Jockey-Klub eingeladen. Ich habe mein Büro kurz nach halb sechs verlassen. Die Rua Garrett ist, wie Sie vielleicht wissen, nur zwei Minuten zu Fuß entfernt.«
    Ich nickte. Absolut wasserdicht. Ich bat ihn, die Namen der Leute aufzuschreiben, die mit ihm im Jockey-Klub gewesen waren. Carlos gab ihm zu diesem Zweck seinen Notizblock.
    »Kann ich mit Ihrer Frau sprechen, bevor sie Ihr erzählen, was geschehen ist?«
    »Wenn Sie jetzt mit mir nach Hause fahren, ja. Wenn nicht, werde ich nicht warten.«
    »Wir fahren direkt hinter ihnen.«
    Er gab mir den Zettel, und wir gingen zurück zum Wagen.
    »Woher wussten Sie, dass Sie hierher kommen mussten, Senhor Doutor?«, fragte ich auf dem Weg.
    »Ich habe einen befreundeten Strafverteidiger angerufen, der mir gesagt hat, dass die Leichen der Personen, die unter verdächtigen Umständen zu Tode gekommen sind, hierher gebracht werden.«
    »Und warum haben Sie gedacht, dass Ihre Tochter so gestorben sein könnte?«
    »Weil ich ihn zuvor schon nach Ihnen gefragt hatte und er mir erzählt hat, dass Sie von der Mordkommission sind.«
    Er wandte sich ab und ging über das Pflaster zu seinem Wagen. Ich zündete mir eine Zigarette an, stieg in den Alfa, wartete, dass der Morgan losfuhr, und folgte ihm.
    »Was halten Sie von der Sache?«, fragte ich Carlos.
    »Wenn das da drinnen meine Tochter gewesen wäre …«
    »Sie haben

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