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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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Aber ein unglücklicher Zufall … vielleicht hatte jemand das Mädchen auf der Fähre gesehen und den Eltern davon erzählt? Die würden in den Parador laufen und dem Manager etwas vorjammern, obwohl ihnen ihre Tochter völlig egal war – nur um Geld für Schnaps von ihm zu erpressen.
    Kann sein, dachte Nini. Aber mit dem Risiko müssen wir leben. Und die Polizei? Sie wusste inzwischen von den beiden Polizisten, die die Befragung im Parador vorgenommen hatten. Was ist, wenn die das Mädchen noch einmal sprechen wollen und feststellen, dass es von der Insel verschwunden ist?
    Bleib ruhig, Nini, sagte Maria-Carmen. Du kennst doch unsere Polizei. Die brauchen lange, bis sie aktiv werden. Und außerdem: Was haben die überhaupt mit der ganzen Sache zu tun? Sie haben den Mann erschossen, ja; aber bestimmt im Auftrag der Franzosen. Das ist eine französische Angelegenheit, und unsere sind froh, wenn sie sich nicht darum kümmern müssen.
    Trotzdem war Maria-Carmen bereit, die Zeit bis zum Abflug nach Marseille im Hotel zu verbringen und nicht in Los Cristianos herumzulaufen. Dass sie sich am zweiten Nachmittag im Hotel ein Weilchen mit einem älteren Herrn einließ, ahnte Nini nicht. Was ihr allerdings auffiel, war eine gewisse Veränderung im Verhalten, ja sogar im Aussehen des Mädchens, das plötzlich nicht mehr wie ein Mädchen, sondern eher wie eine selbstbewusste junge Frau wirkte. Das erste Mal war sie stutzig geworden, als Maria-Carmen den Taxifahrer bezahlte, der sie ins Hotel gebracht hatte. Sie gab ihm das Doppelte des verlangten Preises und wandte sich einfach ab, als der Mann sie auf ihren Irrtum aufmerksam machen wollte.
    Spielt sich auf, die Kleine, hatte Nini amüsiert gedacht.
    Als Maria-Carmen am Abend desselben Tages mit einem Arm voller Kleider und dazu passenden Taschen und Schuhen erschien, die sie in den teuren Boutiquen des Hotels gekauft hatte, ärgerte sie sich.
    Mach nur so weiter, sagte sie. Du wirst uns ins Unglück stoßen. Ich muss verrückt sein, mich mit dir zusammenzutun.
    Maria-Carmen lachte nur und führte die Kleider vor, insgesamt fünf mit dazu passenden Taschen und Schuhen.
    Wenn du so weitermachst, fallen wir auf, sagte Nini. Diese großen Hotels haben Detektive. Was glaubst du, was der, der hier angestellt ist, jetzt gerade tut? Er sitzt in seinem Büro und vergleicht die Nummern der Scheine, mit denen du bezahlt hast, mit den Nummern auf der Liste, die vor ihm liegt. Was machen wir, wenn das Geld aus einem Banküberfall stammt?
    Das glaubte sie in Wirklichkeit selbst nicht, aber es lag ihr daran, dem Mädchen klarzumachen, dass sie vorsichtig sein müssten, wenn sie die Insel ungehindert verlassen wollten. Maria-Carmen lachte nur über Ninis Einwände. Später ging sie noch einmal hinunter und kaufte einen Schal aus schwarzer Spitze. Den hängte sie Nini um.
    Schenk ich dir, sagte sie. Sieht großartig aus bei dir.
    Der Schal war so schön und so kostbar, dass es Nini den Atem verschlug. Sie sagte nichts mehr, aber sie war froh, als sie endlich das Hotel verlassen konnten. Niemand hielt sie auf.
    Die Abfertigung auf dem Flughafen verlief ohne Probleme, obwohl neben dem Eingangsschalter ein paar Männer herumstanden, die Nini für Polizisten in Zivil hielt. Sie war nervös und beruhigte sich erst, als das Flugzeug in der Luft war. Dann hockte sie klein und stumm in ihrem Sitz, lehnte das Essen ab, verlangte einen doppelten Gin und war danach nicht mehr ansprechbar. Sie war erledigt, man sah es ihr an.
    Maria-Carmen warf ihr hin und wieder einen heimlichen Blick zu. Ihr Gesichtsausdruck blieb dabei eher gleichgültig. Erst als das Flugzeug zur Landung ansetzte, wandte sie sich Nini wieder zu.
    Wir brauchen ein Hotel, sagte sie. Ich hoffe, dir fällt noch eins ein. Ist ja ’ne Weile her, dass du in Marseille warst. Und als Nini nicht antwortete: Was ist mit dir? Schläfst du?
    Nini hatte nicht geschlafen. Sie hatte darüber nachgedacht, wie viele Jahre sie sich schon wünschte, wieder nach Hause zu kommen. Und weshalb sie jetzt Angst davor hatte, die Stadt wiederzusehen. Alles würde sich verändert haben. Die Freunde von damals würden weggezogen sein, gestorben, alt wie sie selbst und nicht wiederzuerkennen. Das Haus an der Place Cadenat – schon damals ist es baufällig gewesen. Man wird es abgerissen haben. Die Friche – damals haben ein paar tausend Menschen dort gearbeitet, Zigaretten hergestellt, Gauloises. Bestimmt hatte man alles modernisiert, neue Maschinen

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