Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
Vom Netzwerk:
alles bedrückte.
    Auf dem Cours Belsunce, gleich rechts, wenn du von hier kommst, liegt das Alcazar. Weltberühmt. Maurice Chevalier tritt da auf, da kann man erleben, wie die Menschen ihm zujubeln.
    Maurice Chevalier, wer ist das denn?, fragte Maria-Carmen.
    Ach, lass mich in Ruhe, antwortete Nini. Ihre Stimme war trotzig und kleinlaut zugleich. Und dann: Hier, hier ist das Hotel.
    Da war es tatsächlich. In verwaschenen Buchstaben stand der Name auf der Fassade: Hotel Auvage. Die Fenster darunter waren vernagelt. Auch die Fenster über der Schrift waren mit Sicherheit seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Zeitungen und Packpapier, auch ein blauer Müllsack klebten hinter zerbrochenen Scheiben. Im Eingang, zu dem ein paar Stufen hinaufführten, saß in einem umgekippten Karton eine Katze.
    Igitt, sagte Maria-Carmen, die kriegt gleich Junge.
    Nini sah hilflos auf die Katze, auf die vernagelten Scheiben, an den Hauswänden entlang bis zum Cours Belsunce, als käme von dort die Rettung. Da vorn war jedenfalls Leben.
    So, das reicht nun, hörte sie Maria-Carmen neben sich sagen. Komm mit.
    Widerspruchslos nahm Nini ihre Tasche auf und folgte Maria-Carmen, die auf die belebte Straße zusteuerte. Erst als sie dortangekommen waren, blieb sie stehen und sah sich nach Nini um.
    Da drüben stehen Taxis, sagte sie. Du gehst jetzt da hin und holst ein Taxi hierher. Ich bleib hier stehen. Du sagst dem Taxifahrer, dass wir in das beste Hotel wollen, das die hier haben. In das beste, verstehst du?
    Nini sah zu den Taxis hinüber und dann die Straße entlang. Rechts von ihnen standen Tische und Stühle vor einer Bar.
    Ich muss erst was trinken, murmelte sie und steuerte einen der Tische an, ohne sich umzusehen. Sie bestellte für sich einen doppelten Gin mit etwas Tonic und für Maria-Carmen einen Grenadine.
    Grenadine?, fragte der Kellner, ein dünner, arabisch aussehender Mensch in schwarzen Hosen und weißem Hemd. Maria-Carmen begann zu lachen, und der Kellner stimmte in ihr Lachen ein. Nini war verwirrt.
    Una naranja, sagte Maria-Carmen, und der Kellner verschwand.
    Das Alcazar, begann Nini …
    Klar, und Maurice Chevalier. Wie lange ist das her? Sieht so aus, als hätten sie es inzwischen geschlossen. Obwohl …
    Maria-Carmen stand auf und ging ein paar Schritte in Richtung des Alcazar.
    Zentralbibliothek, sagte sie, als sie sich wieder setzte. Ganz schön was los in deinem Cabaret.
    Nini blieb stumm. Sie trank den Gin, den der Kellner ihr gebracht hatte, in schnellen kleinen Schlucken und wartete darauf, dass er wirkte. Es dauerte zehn Minuten, bis sie sich wieder gefasst hatte. Tut mir leid, sagte sie endlich, ich hol jetzt ein Taxi.
    Maria-Carmen sah ihr nach, wie sie unsicher den Cours Belsunce überquerte, hastig nach rechts und links sah, stehen blieb, um eine Straßenbahn anzustarren, während die aus der entgegengesetzten Richtung kommende wie wild klingelte, umsie von den Schienen zu vertreiben. Schließlich erreichte sie den Taxistand. Heftig gestikulierend blieb sie neben einem der Taxifahrer stehen. Irgendwann sah der Mann zu ihr hinüber, und Maria-Carmen hob die Hand. Sie trug ein blaues Kostüm und rote Schuhe und eine rote Handtasche. Selbst über die breite Straße hinweg war sie sich des Eindrucks bewusst, den sie machte. Drüben öffnete der Fahrer für Nini die Autotür.
    Das ist das Geld, dachte Maria-Carmen, während sie zwanzig Euro auf den Tisch legte und dem Kellner zuwinkte. Er kam sofort und redete auf sie ein, aber sie verstand nicht, was er sagte. Sie schob ihm nur lächelnd den Schein hin und machte eine abwehrende Geste, als er in seiner Börse nach dem Wechselgeld zu suchen begann. Sie stand auf, nahm die Taschen und stellte sich an den Straßenrand. Der Kellner rief etwas hinter ihr her, und als sie sich umwandte, grinste er unverschämt.
    Idiot, sagte sie laut und wandte sich ab.
    Drüben am Taxistand war Nini inzwischen umständlich eingestiegen. Der Fahrer wurde von einem Kollegen aufgehalten, der mit wilden Armbewegungen auf ihn einredete. Schließlich wandte er sich ab und setzte das Auto endlich in Bewegung. Sein Kollege starrte hinüber zu Maria-Carmen, die so tat, als sähe sie den Mann nicht. Sie war froh, als das Taxi vor ihr hielt. Nini saß vorn auf dem Beifahrersitz. Sie hatte sich zu ihrer ganzen Größe aufgereckt und wirkte immer noch winzig. Allein der schwarze Spitzenschal, in dem sie beinahe verschwand, verlieh ihr Autorität. Maria-Carmen sah einen Augenblick auf sie

Weitere Kostenlose Bücher