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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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beladen und mit Hilfe eines Marseiller Polizisten, den er noch nicht kannte, in die Luft zu jagen, um die Versicherungssumme zu kassieren.
    Drei Wochen später war Nissen mit der offiziellen Senatsdelegation in Marseille, um die Feierlichkeiten zum Fest der Städtepartnerschaft vorzubereiten. Die Marseiller zeigten sich von ihrer zuvorkommendsten Seite. Sie wussten, was ihre Stadt an Schönheit und ihre Küche an Köstlichkeiten zu bieten hatte. Nissen, der den Wunsch geäußert hatte, in der Nähe des Alten Hafens wohnen zu dürfen, war im Hotel Alize untergebracht; nicht das allererste Haus in der Stadt, aber mit einem hinreißenden Blick auf den Fischmarkt und den dahinterliegenden Hafen.
    Gleich am ersten Abend wurden er und seine Begleiter ins Toinou eingeladen. Die Marseiller Gastgeber waren sichtlich stolz auf das Restaurant, in dem ausschließlich Meeresfrüchteserviert wurden, und erkundigten sich während des Essens ein paarmal, unauffällig, versteht sich, ob es denn ein ähnliches Restaurant auch in Hamburg gebe. Was, wie sie genau wussten, die Hamburger jedes Mal verneinen mussten. Überhaupt herrschte eine merkwürdige, nicht unkomplizierte Stimmung an diesem ersten Abend zwischen Hamburg und Marseille. Sie sollte auch in den nächsten Tagen noch eine Rolle spielen, dann allerdings schon abgemildert und der guten Zusammenarbeit nicht mehr abträglich. Mit Hamburg und Marseille standen sich nämlich zwei durchaus ungleiche Partner gegenüber. Nissen wurde das deutlich bewusst, als man die Hamburger Delegation zu einer Fahrt durch den Containerhafen einlud. Auch die beeindruckenden Schiffe der neuen Compagnie CMA CGM konnten daran nichts ändern. Der Zusammenschluss von Compagnie Générale Maritime und Compagnie d’Affrement war nur ein notwendiger Schritt gewesen, um im Containergeschäft überhaupt noch eine Rolle spielen zu können. Vorherrschaft auf den Weltmeeren oder auch nur die Zugehörigkeit zur Spitzenklasse konnten die Marseiller daraus noch lange nicht ableiten. Während die Barkasse durch den Industriehafen fuhr, dachte Nissen an die Containergebirge, die sich zu guten Zeiten im Hamburger Hafen türmten, und hätte beinahe mitleidig gelächelt. Später machte ein aufmerksamer Gang durch die Innenstadt das Bild erst recht vollständig. Hamburg war reich, und Marseille war arm, das war die Wahrheit.
    Natürlich war den Marseillern dieser Unterschied bekannt. Und ebenso natürlich suchten sie nach Möglichkeiten, den Hamburgern trotzdem selbstbewusst entgegenzutreten. Es gab wunderbare Abendessen, den Blick vom Hügel der Notre-Dame de la Garde über die Stadt, den Alten Hafen mit seinen teuren Liegeplätzen für Bootseigner mitten in der Stadt, eine Fahrt hinüber zum Château d’If, der Insel des Grafen von Monte Christo, die überwältigende Schönheit der Calanques, der Felsküste östlich von Marseille. Jedem Menschen, der nur ein wenig Kultur hatte, mussten diese Vorzüge unmittelbar einleuchten. Und Gerd-Omme Nissen war beeindruckt. Allerdings galt das nicht für jeden in der Hamburger Delegation, die ja zum größeren Teil aus Politikern bestand. Und auch wenn man sich auf beiden Seiten Mühe gab, den Unterschied von Reich und Arm nicht herauszukehren, so blieb doch während des gesamten Aufenthalts der Hamburger im Hintergrund eine Stimmung von Unoffenheit und gegenseitigem Bemitleiden, die nur mit allergrößter Anstrengung und nachdem die Hamburger Abordnung am zweiten Abend ihres Aufenthalts eine ernsthafte Aussprache untereinander geführt hatte, einigermaßen erfolgreich überwunden werden konnte.
    Ausgelöst wurde die Notwendigkeit einer solchen Aussprache durch die, wie Nissen fand, taktlose Bemerkung eines grünen Delegationsmitglieds über Jungfernstieg und Cours Belsunce, »von der berühmten Canebière überhaupt nicht zu reden«.
    Und dann hatte es einen zweiten peinlichen Augenblick gegeben, als einer der Delegationsteilnehmer, in der Annahme, den Gastgebern damit zu schmeicheln, erklärt hatte: Wenn Europa einmal so weit sein wird, dass es eine Hauptstadt wählt, dann kann das nur Paris sein. Die erstarrenden Mienen und das Schweigen der Gastgeber hatten Bände gesprochen. So war es zu der Aussprache gekommen.
    Die Zusammenarbeit mit den Marseillern lief von da an besser. Es gab weniger Essgelage und touristische Ausflüge, dafür aber mehr zielgerichtete Vorbereitungen der Hauptveranstaltung. Sie sollte im Palais de Pharo stattfinden, einem hoch über dem Alten Hafen

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