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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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zur HSH-Nordbank war ihm später trotzdem nicht erspart geblieben, was allerdings nicht ehrenrührig war. Das verband ihn mit vielen seiner Kollegen.
    Wann war das nächste Treffen der Gruppe, die mit den Vorbereitungen der Feierlichkeiten zu tun hatte? In drei Wochen. Schon beim letzten Treffen in Marseille war ihm eine Gruppe Polizisten aufgefallen, die als Sicherheitsexperten dazugeladen gewesen waren. Ein paar Gesichter waren darunter gewesen, die er bei sich als verwegen bezeichnet hatte. Er war nicht sicher, ob man in Hamburg diese Art Männer als Polizisten eingesetzt hätte, obwohl …
    Schluss jetzt, dachte Nissen. Was gehen mich Hamburger Polizisten an! Die einzigen Uniformträger, die neuerdings für das Containergeschäft von Bedeutung sind, gehören zur Marine; Soldaten, die das Eigentum der Reeder und das Leben der Seeleute vor Piraten schützen. Diese Marseiller Polizisten sind sicher ähnlich harte Burschen, möglicherweise aber flexibler als Soldaten, denn sie agieren sowohl an Land als auch auf den Schiffen im Hafen. Er versuchte, sich an einzelne Gesichter zu erinnern, aber das gelang ihm nicht.
    Kein Problem also, dachte er, und einer dieser Männer wird mein Mann werden.
    Er hatte plötzlich überhaupt keine Bedenken mehr, den richtigen Typen zu finden: Intelligent, verschwiegen und geldgierig würde er sein, und der Gedanke daran, dass so ein Mann schon in Marseille herumlief, ohne zu wissen, welch komplizierte, aber lohnende Aufgabe auf ihn wartete, erfüllte ihn mit leiser Zufriedenheit. Ein Mitwisser zwar und insofern ein Risiko. Aber wenn er der einzige Mitwisser bliebe, ließe sich das Risiko tragen. Wenn er eine kluge Wahl träfe – aber das sollte ihm nicht schwerfallen.
    Blieb Frage Nummer drei: seine eigene Stellung in der Gesellschaft, seine Beziehungen zur Politik und sein Privatleben.
    Nissen wusste, dass es besonders darauf ankam, sich in diesen Fragen nichts vorzumachen. Fest stand, weil das zur Routinearbeit der Versicherer gehörte, dass man ihn genau durchleuchten und auch befragen würde, wenn es einen Unfall auf See gegebenhätte. Seine finanziellen Verhältnisse waren eindeutig schlecht, aber den Reeder hätte er sehen mögen, der in der augenblicklichen Krise im Geld schwamm. Er verkörperte nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sein Ruf in der Hamburger Gesellschaft war untadelig. Ganz am Anfang seiner Karriere, als deutlich geworden war, dass er sich von seiner Familie getrennt hatte, um nicht für die Schulden seines Vaters geradestehen zu müssen, mochte der eine oder andere Freund der Familie oder seiner älteren Kollegen ihm seine Handlungsweise übelgenommen haben. Aber solche Gefühlsregungen, denn mehr war es ja nicht – oft genug wurden sie auch nur von den Frauen der Familien verbreitet –, waren schnell vergangen. Der Erfolg hatte ihm recht gegeben. Er hatte den angesehenen Namen Nissen auf seine Weise in Ehren gehalten, und mancher Kollege, am Anfang noch zögerlich in der Annahme großzügiger Steuervorteile, die die Regierungen den Reedern boten, war ihm schon bald gefolgt. Der Stolz, der daraus sprach, dass ein Hamburger Kaufmann keine Orden und Ehrenzeichen einer Zentralregierung annahm, konnte deshalb ruhig weiter gepflegt werden. Orden nahm man nicht. Geld dagegen, in Form von erstaunlich hohen Steuervergünstigungen, war etwas anderes. Schließlich diente dieses Geld dazu, die Reedereien am Leben zu halten und damit Deutschlands Präsenz auf den Weltmeeren zu stärken. Das Geld, das man von der Bundesregierung bekam, diente also dem Vaterland und nicht einzelnen Reedern, wenn auch, das ließ sich nicht übersehen und war in gewisser Weise durchaus gerechtfertigt, einzelne Reeder sehr bald persönlich einen großen Wohlstand erreichten. Er, Nissen, im Grunde Vorreiter dieser Entwicklung, war in der Hamburger Gesellschaft jedenfalls ein angesehener Mann.
    Was seine Beziehungen zur Politik anging, so waren sie von Anfang an korrekt gewesen und auch so geblieben. Sie waren in keiner Weise mit denen des Eigners der Lucona zu vergleichen. Sicher, es gab Einladungen von Politikern, zu denen man bessererschien, und auch Einladungen, die man selbst hin und wieder aussprach. Man traf sich bei Vorträgen im Übersee-Club. Bei diesen Gelegenheiten fühlte sich Nissen übrigens nie so recht wohl. Auch wenn die politischen Umstände natürlich heute völlig andere waren als 1933, so waren ihm noch jedes Mal, sobald er die Räume an der Binnenalster betrat,

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