Tod in Marseille
betrunkenen Widerlingen; ein korrupter Polizist Geschäfte machte mit einem eiskalten Hamburger Reeder …
War das wirklich so?
Es wurde Zeit für den Rosé, und sie ahnte, es würde nicht bei einem Glas bleiben. Sie musste nachdenken. Sie wusste nun, dass es eine Beziehung gab zwischen Grimaud und Nissen. Sie wusste, dass Grimaud korrupt war. Ging er auch über Leichen? Auf dem Schiff waren fünf Menschen gewesen. Sie wusste, dass Nissen ein harter Geschäftsmann war und dass zumindest einigen Hamburger Reedern das Wasser bis zum Hals stand, manchen mehr, manchen weniger. Sie würde darauf wetten, dass Nissen es bald würde schlucken müssen. Wer wüsste etwas über seine ökonomischen Verhältnisse … Kranz … aber weshalb?
Weil sie neugierig war? Weil sie wollte, dass bei ihren Recherchen herauskäme, dass Grimaud unschuldig ist? Weil es ihr Gerechtigkeitsgefühl verletzte, wenn Nissen und Grimaud ungeschoren davonkommen sollten? Weil sie gekränkt war, dass Grimaud glaubte, ihr etwas vormachen zu können? Ihr? Bella Block? Der Rächerin der Enterbten?
Sie begann, über sich selbst zu lachen, stand da, mitten auf dem Cours Belsunce, und lachte. Erst als sie bemerkte, dass Vorübergehende sie anstarrten und zwei kleine Mädchen mit Fingern auf sie zeigten, nahm sie sich zusammen. Jedenfalls hatte der Lachanfall etwas Gutes gehabt: Sie fühlte sich freier und wusste nun, was es für sie noch zu tun gab. Hinter der Bibliothèque Alcazar bog sie nach rechts ab und ging die Rue des Petites Maries hinauf. Gegenüber vom Bahnhof St. Charles setzte sie sich auf die Terrasse eines kleinen Cafés, bestellte eine Karaffe Rosé und rief Kranz an. Er war zu Hause, wollte wissen, ob es ihr in Marseille gefalle und wie lange sie noch die Absicht habe zu bleiben.
Ich reise ab, sagte Bella. Meinst du, du könntest in den nächsten zwei Tagen etwas für mich herausfinden? Wir könnten uns dann treffen.
Kommt darauf an, was es ist, sagte Kranz. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn wir uns einfach nur so träfen. Ich hab ein bisschen Sehnsucht nach dir gehabt, weißt du?
Nissen, Gerd-Omme, der Reeder. Ich glaube, wir haben über ihn gesprochen. Ich wüsste gern, wie es um seine finanziellen Verhältnisse bestellt ist.
Ach, du lieber Himmel, sagte Kranz, den hab ich erst vor ein paar Tagen im Übersee-Club gesehen. Er schien mit sich und der Welt sehr zufrieden zu sein.
Kann ich mir denken, sagte Bella. Versuchst du trotzdem, herauszufinden, wie es um seine Finanzen bestellt ist?
Kranz seufzte, sie hörte es deutlich. Sicher war er gerade mit einem interessanten Buch beschäftigt. Bei ihrem letzten Treffen hatte er von Istanbul und Orhan Pamuk gesprochen und dass er unbedingt die Türkei kennenlernen müsse.
Bitte, sagte Bella, es ist wichtig für mich.
In Ordnung. Für dich würde ich alles tun, das weißt du. Gehen wir essen, wenn du zurück bist?
Hier gibt es ein Restaurant, das Toinou, nur Meeresfrüchte, ich werde keine Zeit haben, noch einmal dorthin zu gehen. Wenn du etwas Ähnliches in Hamburg finden könntest?
Wir werden sehen, antwortete Kranz. Beeil dich und sei vorsichtig, falls du noch irgendetwas vorhast, was nicht ganz legal ist. Die Franzosen lassen nicht mit sich spaßen.
Nein, sagte Bella. Du kannst ganz beruhigt sein. Ich hab noch mit jemandem zu reden, das ist alles. Mein Koffer ist schon gepackt. In ein paar Stunden bin ich unterwegs.
Sie beendete das Gespräch und versuchte, Grimaud zu erreichen. Es dauerte eine Weile, bis er sich meldete.
Ich reise ab, sagte Bella, können wir uns vorher noch sehen? Sie merkte, dass Grimaud zögerte.
Am liebsten hier im Café, gegenüber vom Bahnhof St. Charles, sagte sie. Du kannst mich gleich anschließend in den Zug setzen.
Ich will sehen, was ich tun kann, sagte Grimaud. Wann geht dein Zug? Gut. Ich bin eine Stunde vorher dort. Bitte denk nicht, ich würde nicht gern mit dir zusammen sein. Es ist nur so …
Lass, sagte Bella, wenn du willst, kannst du es mir nachher erzählen.
Sie ging ins Hotel, holte ihr Gespäck und brachte es im Bahnhof in einem der Schließfächer unter. Dann ging sie zurück ins Café und wartete auf Grimaud. Er sah gehetzt aus, als er kam, pünktlich eine Stunde bevor ihr Zug fuhr. Unter der braunen Haut war sein Gesicht blass, und Bella fiel zum ersten Mal auf, dass seine Haare grau wurden. Seine Gelassenheit war verschwunden, aber er gab sich Mühe, freundlich zu sein.
Ich hab dir erzählt, sagte Bella, dass ich
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