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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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Polizistin gewesen bin. Das ist ziemlich lange her, aber mir sind ein paar Dinge aus dieser Zeit geblieben.
    Einmal Polizist, immer Polizist, sagte Grimaud.
    Ja. Ich nehme an, dass du das verstehst. Was ich nicht verstehe, ist, weshalb man sich als Polizist so leicht angreifbar macht.
    Du meinst mich?
    Ja, sagte Bella. Ich denke an die Komödie, die du im Bordell aufgeführt hast. Du hast dir kaum Mühe gegeben, zu verbergen, dass du dort Stammgast bist.
    Ich hab versucht, den Schein zu wahren, sagte Grimaud lächelnd. Immerhin war ich mit einer Dame unterwegs, deren Abneigung gegen Sex mit Afrikanerinnen bekannt ist.
    Woher weißt du …
    Grimaud hatte einen Fehler gemacht. Er begriff es sofort. Er hatte mit Nissen über sie gesprochen. Nissen hatte sie gesehen, sich an sie erinnert und an die Szene, die sie ihm in seinem Haus in Klein Flottbek gemacht hatte. Und er hatte Grimaud gefragt, wie er sie kennengelernt habe.
    So tun, als wäre nichts geschehen, das war jetzt wichtig.
    Einfach nur geraten, sagte er lächelnd. Ein wenig kenne ich mich aus mit deutschen Frauen. Die meisten, mit denen ich bisher zu tun hatte …
    Lass, sagte Bella, es kommt nicht darauf an. Was ist passiert? Du bist anders als sonst, weniger – ich suche nach dem richtigen Wort – weniger gelassen?
    Nichts, antwortete Julien, nichts, was für dich von Bedeutung sein könnte.
    Aber für dich? Für dich und deinen Freund Nissen?
    Was weißt du von Nissen?, fragte Grimaud. Seiner Stimme war Ärger anzumerken, den er zu unterdrücken versuchte.
    Liest du keine Zeitungen?
    Weshalb?
    Grimaud war sichtlich irritiert. Sie meinte seine Wut zu spüren, aber da war noch etwas anderes. War es Schuldbewusstsein? Oder Angst?
    Ich hab dir gesagt, dass ich einmal Polizistin gewesen bin. Ich hab dir nicht gesagt, dass ich danach noch jahrelang privat ermittelt habe. Ich war gut im Geschäft, weil ich eine gute Ermittlerin gewesen bin. Das hab ich dir nicht gesagt, weil ich weiß, wie Polizisten über diese Art von Konkurrenz denken.
    Dir war an einem harmonischen Urlaubsflirt gelegen, ja?
    Was hat Nissen dir sonst noch über mich gesagt, außer dass ihm meine Abneigung gegen Prostitution bekannt war? Er hat dich vor mir gewarnt, stimmt’s? Er hat dir gesagt, dass ich sicher nicht zum Vergnügen hier bin und dass du vorsichtig sein sollst im Umgang mit mir. Wovor hat Nissen sich gefürchtet? Hat er geglaubt, dass ich ihm auf der Spur bin? Weshalb hast du deine Gelassenheit verloren? Doch nicht meinetwegen!
    Nein, sagte Grimaud. Ich hab Ärger mit ein paar italienischen Kollegen, die eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich losgelassen haben. Aber das werde ich heil überstehen. Nichts als ein paar Übereifrige. Junge Männer, die glauben, sie könnten sich im Kampf gegen die Mafia besonders hervortun, wollen jenseits ihrer Grenzen aktiv werden, ohne dazu berechtigt zu sein. Trotzdem ist so etwas immer unangenehm.
    Nissen, sagte Bella, was ist mit ihm? Er ist es, der dich beunruhigt. Weshalb?
    Einen Augenblick lang glaubte sie, dass Grimaud überlegte, ob er ihr etwas sagen sollte, aber dann sah sie in seinem Gesicht, dass er sich dagegen entschied.
    Auch du hast keine Befugnisse, hier zu ermitteln, sagte er. Nicht einmal, wenn du noch im Dienst wärst. Im Übrigen macht es keinen besonders guten Eindruck, wenn man darum bettelt, zu einer Razzia mitgenommen zu werden, nur weil nackte schwarze Frauen eine besondere Anziehungskraft auf einen ausüben. Was ich selbstverständlich nicht ahnen konnte. Und bei deinen Erfahrungen sollte dir aufgefallen sein, bei wem du deine teuren Klamotten für wenig Geld, was sage ich, für nichts, erstanden hast.
    Bella sah hinüber zum Bahnhof. In einer Viertelstunde musste sie im Zug sein. Es wurde Zeit, dass sie ging. Sie stand auf. Es gab nichts zu sagen, weder Lebewohl noch Auf Wiedersehen. Es war nicht einmal mehr nötig, einen Blick zu tauschenmit einem, ohne dessen Mithilfe die Mafia niemals so eine Verbreitung hätte finden können.
    Grimaud blieb sitzen und sah ihr nach, bis sie im Gewühl auf dem Bahnhofsvorplatz verschwunden war. Das war auch genau der Augenblick, in dem er sie vergaß. Er hatte andere Sorgen.
    Der Zug aus Paris kam am frühen Morgen in Hamburg an. Bella hatte gut geschlafen. Vor dem Einschlafen hatte sie sich noch einmal das Bild von Belle de Mai in Erinnerung gerufen. Ihr Zug war gleich nach dem Verlassen des Bahnhofs an der Zigarettenfabrik vorübergefahren, und natürlich war ihr Nini

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