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Tod in Seide

Tod in Seide

Titel: Tod in Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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des Krieges andere Kunstschätze wieder auftauchten, blieb dieses riesige Zimmer spurlos verschwunden.«
    »Irgendwelche Theorien?«, fragte ich.
    »Dutzende. Ich wollte mal ein Stück darüber schreiben und habe das gründlich recherchiert.« Sie warf mir einen Blick zu, da ich sie immer schimpfte, wenn sie etwas anfing und nicht zu Ende brachte. »Es verschwand in der Schublade, nachdem eure DNS-Mannschaft die Leichen der Romanows identifiziert hatte. In meinem Stück sollte das Zimmer für Anastasia wieder aufgebaut werden, die noch am Leben war und in … ach, was soll’s. Ihr wollt wahrscheinlich die wichtigeren und nicht die obskuren Theorien hören? Vor ein paar Jahren tauchte ein professioneller Kunstfahnder auf der Bildfläche auf, der Kopien von Dokumenten mit Himmlers Unterschrift hatte. Er behauptete, er könne beweisen, dass das Zimmer zurück nach Quedlinburg beordert worden sei, aber dass der General, der für den Transport zuständig war, angesichts des Vorrückens der Alliierten eigenmächtig die Route geändert hätte.«
    »Quedlinburg«, sagte Mike. »Das war doch ein großes Nazilager, richtig?«
    Er erinnerte uns daran, dass das FBI im Jahr 1996 zwei Texaner strafrechtlich zur Rückgabe von mittelalterlichen Reliquien im Wert von einigen Hundert Millionen Dollar veranlassen wollte. Ihr Bruder, ein amerikanischer Soldat, hatte sie gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gestohlen. Deutsche Truppen hatten den Kirchenschatz – von Gebetsbüchern aus dem neunten Jahrhundert über reich verzierte Manuskripte bis hin zu edelsteinverzierten Vasen und Figuren – erbeutet. Und im Zuge der Befreiung Europas hatten einige Halunken in der amerikanischen Armee sich mit den eh schon gestohlenen Waren davongemacht.
    »Eine Theorie besagt, dass das Bernsteinzimmer in einem Steinbruch nahe einer Burg aus dem siebten Jahrhundert vergraben ist, und neuerdings heißt es, dass der Sohn eines deutschen Nachrichtenoffiziers, der bei der Verfrachtung dabei gewesen sein soll, mit Hilfe der Papiere seines Vaters nachgewiesen hat, dass es das Zimmer nie bis Deutschland geschafft hat, sondern sich noch in irgendwelchen unterirdischen Tunneln und Minenschächten in Russland befindet.«
    Mercer war die ganze Zeit ungewöhnlich ruhig gewesen. »Und was hat das alles mit Denise Caxton zu tun?«
    »Die Verbindungen gehen bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Lowell Caxtons Vater lebte in Frankreich, wie ihr vielleicht schon wisst.«
    »Ja«, sagte ich. »Er sagte etwas darüber, wie sich seine Eltern kennen gelernt haben und dass er in Paris aufgewachsen sei.«
    »Obwohl sich der alte Caxton während des Krieges in den Staaten aufhielt, brach er nie den Kontakt zu einem gewissen Roger Dequoy ab, von dem später in der Kunstszene bekannt wurde, dass er einer der schlimmsten Kollaborateure gewesen war. Dequoy hatte Gemälde an alle Nazigrößen verkauft. Als Gegenleistung versuchten sie, ihm die Impressionisten anzudrehen, die sie gestohlen hatten. Hielten sie für zu entartet – das müsst ihr euch mal vorstellen. Die französische Regierung erwog, gegen Caxtons Vater Anklage wegen Geschäften mit den Nazis zu erheben, aber sie konnte nie genügend Beweise finden. Klar ist allerdings, dass die Caxtons sowohl auf Grund ihrer finanziellen als auch politischen Position Zugang zu einer enormen Anzahl der gestohlenen Werke gehabt haben könnten. Und sie konnten sie relativ einfach in ganz Europa verschieben.«
    »Aber bei all dem Reichtum, den die Caxtons bereits erworben hatten«, sagte Mike, »könnte es sich der alte Mann doch leisten, bis in alle Ewigkeit auf dem Zeug sitzen zu bleiben. Er hat im Vergleich zu so manch anderem gar keinen Grund, es zu verkaufen und sich somit zu entlarven.«
    »Den Caxtons ging es nie ums Verkaufen oder um den Gewinn. Das machen sie, der Sohn genauso wie der Vater, nur zum Spaß. Für sie zählt nur das Besitzen – die pure, unverfälschte Habgier. Ihr seid doch in der Wohnung gewesen, oder?«
    »Ja, am Wochenende.«
    »Wie ihr dann vielleicht wisst, hat Lowell jede seiner Suiten einem Lieblingsmaler oder einer Lieblingsperiode gewidmet. Natürlich habe ich es nie mit eigenen Augen gesehen, aber es wird gemunkelt, dass er irgendwo, auf einem seiner Grundstücke, das Bernsteinzimmer wieder aufgebaut hat. Es ist nicht vollständig – einige der Holzpaneele hat es verzogen, als der Minenschacht überflutet wurde. Aber er soll es irgendwie geschafft haben, die meisten der edelsteingeschmückten Teile aus

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