Tod in Seide
Europa rauszubekommen. Dann ließ er sich von Kunsthandwerkern die Spiegel und Paneele einzeln vergolden, so dass keiner von ihnen den Verdacht schöpfen würde, dass sie Teil eines ganzen Zimmers waren. Mehr kann man wohl auf dieser Welt nicht tun, um sich wie ein Zar zu fühlen.«
»Und Deni?«, fragte ich.
»Sie wusste mit Sicherheit davon. Jede seiner Frauen wusste davon. Das war es doch, worauf Liz Smith heute in ihrer Kolumne angespielt hat.«
»Du entschuldigst hoffentlich, dass ich zwischen den Autopsien heute keine Zeit hatte, mir die bescheuerte Klatschkolumne anzusehen?«, fragte Chapman.
»Entschuldige. Liz erwähnte etwas in der Art, dass es für jede seiner drei Frauen das Todesurteil war, wenn Caxton sie bis in sein Allerheiligstes vorließ. Ihr wisst schon – wie Blaubarts Schloss. Sobald er sie einmal in seine geheime Höhle gelockt und dort mit ihnen geschlafen hatte, musste er sie umbringen.«
»Jetzt mal langsam, Joanie. Willst du damit sagen, dass Lowell Deni umgebracht hat, damit sie wegen des Bernsteinzimmers den Mund halten würde oder dass jemand anders Deni benutzt hat, um an das Zimmer ranzukommen? Und bitte sag mir jetzt nicht, dass du diese Informationen von deinem Personal Trainer hast.« Ich wusste, dass Joan den besten Klatsch oft von ihrem Fitnesstrainer hörte, von dem sie sich, wenn sie in der Stadt war, jeden Vormittag in ihrer Wohnung, die sie hier noch unterhielt, verwöhnen und in Form bringen ließ. Seine Kundschaft war von der erlesensten Sorte, und irgendetwas musste an dem Gewichtheben und der Gymnastik dran sein, dass ihm diese gut gebauten, dünnlippigen Frauen ihre bestgehütetsten Geheimnisse anvertrauten.
»Laut der Version, die ich kenne, versuchte die russische Mafia, einen Fuß in die Kunstszene in Chelsea zu setzen. Sie wollten Deni unter Druck setzen und sie dazu bringen, ihnen zu verraten, wo das Bernsteinzimmer versteckt sei, damit sie es dem Zarenpalast zurückgeben könnten, der seit zwanzig Jahren renoviert wird. Ihr Auftraggeber ist angeblich ein sowjetischer Geschäftsmann, der sein Vermögen im Telekommunikationsgeschäft gemacht hat und der bereit ist, das nötige Kleingeld für diese Aktion locker zu machen.«
»Warst du jemals in Brighton?«, fragte Chapman.
»Natürlich, mein Stück wurde dort und in Bath aufgeführt, bevor es in London Premiere hatte.«
»Nicht Brighton, England. Brighton Beach . Sitz der Russenmafia.«
»Du denkst, ich habe nichts mit der West Side am Hut, Mikey? Nun, Joan geht es so mit den Außenbezirken. Brooklyn, Queens, die Bronx – vergiss es. Das sind für sie nur Orte, durch die man fahren muss, um woandershin zu kommen.«
»Das heißt also, sie kommt nicht mit, wenn wir uns dort auf die Jagd nach Doppelagenten machen, die auf der Suche nach Nazis sind, die auf der Suche nach gestohlener Kunst sind?«, fragte mich Mike.
Mercer nahm den Gesprächsfaden wieder auf. »Was weißt du über Bryan Daughtry?«
Joan lachte. »Mehr als man über ihn wissen muss, so viel steht fest. Denise Caxton hat das Monster nicht erschaffen, aber sie hat es sicherlich am Leben gehalten.«
»Warum, denkst du, lag ihr so viel an ihm?«
»Sie war der klassische Underdog, Alex, und irgendetwas muss sie wohl mit Leuten, die eine ähnliche Geschichte hatten, verbunden haben. Du erinnerst dich sicher, dass ich früher, noch bevor die Sache mit dem Leder und den jungen Mädchen bekannt wurde, auch bei Daughtry einkaufte. Im Grunde ist er genau wie Deni ein Träumer, der sich ein von vorne bis hinten erfundenes Leben aufgebaut hat. Seine Unternehmungen waren viel riskanter als das, was Lowell tat, und das gefiel ihr anscheinend. Schließlich bedarf es keines großen Könnens, um einen Picasso zu verkaufen, oder?«
»Hast du irgendwelche Tipps, mit wem wir uns über ihre Geschäfte unterhalten könnten?«, fragte Mike.
Joan dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht mit Marco Varelli.«
»Den Namen habe ich heute schon einmal gehört. Wo war das bloß?« Ich war müde und durcheinander.
»Der netteste alte Mann, den du dir vorstellen kannst. Er ist Restaurator, wahrscheinlich der angesehenste in der Branche.«
Jetzt fiel es mir wieder ein. Marina Sette hatte ihn heute Nachmittag während unserer Unterhaltung im Four Seasons erwähnt.
»Ich meine – wenn ich über so etwas wie das Bernsteinzimmer stolpern würde, dann würde ich Varelli fragen, um sicherzugehen, dass es sich bei dem Schatz um keine Fälschung handelt. Er sieht aus wie
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