Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
rauszufliegen?«
»Er hat mir erzählt, daß er die Belege gefälscht hat. Sie haben nur eine Kasse in der Zweigstelle, und kein Mensch kümmert sich um das, was rein- und rausgeht. Nur alle vier Wochen rechnen sie mit der Zentrale ab. Oder bei besonderen Anlässen.«
»Was macht er mit dem Geld?«
»Abends packte er es in den Geldschrank, und morgens holte er es wieder raus.«
Susann beobachtete Paul, aber er merkte es nicht. Sein Gehirn arbeitete angestrengt.
»Und er konnte 4000 abzwicken, ohne daß es bemerkt wurde?«
»Er wollte es bei der nächsten Prüfung zurückzahlen und die Sache wieder hinbiegen. Sein Gehalt und das Geld, das er für sein Auto erwartete, hätten ausgereicht. Aber vorgestern hat ihn ein LKW auf die Hörner genommen, und bevor die Reparatur nicht fertig ist, kann er die Karre nicht verkaufen. Er wollte mich anpumpen, weil sich der Buchprüfer überraschend angesagt hat ... Was für eine Idee hast du?«
Paul sah hoch. Für einen Sekundenbruchteil sah er die Gier in ihren Augen. Er bereute, daß er gesprochen hatte. Aber er stand nicht auf und ging, sondern sagte: »Wenn er genug Angst vor dieser Prüfung hat, dann wird er vielleicht bei dem Spiel mitmachen, das ich vorhabe.«
»Nun red schon!« Susann steckte sich eine neue Zigarette an und beugte sich vor.
Paul sprach langsam und betont; er mußte den Plan erst in Worte fassen. »Was ich vorhabe, ist ziemlich einfach, wenn alle Faktoren stimmen. Wenn der Safe in der Bank nicht zu modern ist, wenn man ihn mit einem Schweißbrenner aufbekommen kann, dann hätten wir eine Möglichkeit – vorausgesetzt, daß ich genau über die Alarmanlage Bescheid weiß. Die modernen Anlagen sind vollkommen sicher, es sei denn, man kennt die genauen Lage- und Schaltpläne. Wenn dieser Kodell viel zu verlieren hat, dann wird er uns helfen, in seinem eigenen Interesse. Er beschafft uns eine Kopie der Pläne; alles andere geht ihn nichts an. Am nächsten Morgen stimmen seine Bücher wieder.«
»Ich verstehe nicht ...« Susann hatte ihre Zigarette vergessen, ein langer Aschenstreifen fiel auf den Teppich.
»Nehmen wir an, ich finde 50000 im Safe. Dann kann Kodell mit Hilfe seiner Bücher beweisen, daß es 54000 waren, und ist aus dem Schneider.«
»Aber so einfach ist das nicht. Er müßte seine Bücher doch vorher in Ordnung bringen!«
»Das könnte er ja, denn er wüßte doch Bescheid.«
Paul stand auf. Mit einemmal fand er die Wohnung bedrückend eng. Susann folgte ihm mit den Augen. Er dachte an die zwei Jahre und an die lange Reihe von Plänen, die er mit Hontar zusammen ausgedacht und in Gedanken erfolgreich durchgeführt hatte. Es war ein Spiel gewesen. Er hatte nie ernsthaft daran gedacht, wieder damit anzufangen. Paul drehte sich um:
»Sprich mit ihm, Susann. Vielleicht geht es gar nicht. Vielleicht kommt er nicht an die Pläne ran, vielleicht ist es ein großer Tresor, vielleicht ist zuwenig Geld drin. Dann haben wir eben Pech gehabt.«
»Ich werde mit ihm sprechen.«
Paul sah ihr an, daß sie Feuer gefangen hatte. Jetzt konnte er nicht mehr ohne weiteres zurück. Trotzdem war er, als er die Tür öffnete und hinausging, überzeugt, daß alles sich früher oder später als undurchführbar herausstellen würde.
10
Von unten gesehen war die Straße grau und schmutzig.
Die übriggebliebenen Betrunkenen hingen stumpfsinnig vor den Imbißstuben herum und warteten darauf, daß geöffnet wurde. Der Sprengwagen färbte die Fahrbahn und den Gehweg dunkel; der Geruch von nassem Asphalt und kaltem Kneipenmief waren stärker als die Seeluft vom Hafen her. Die Sonne war noch blaß, aber sie versprach schon wieder neue Hitze und drückenden Dunst.
Paul vermied es, die Davidstraße zu überqueren, und kam auf einem Umweg zur Fehrstraße. Der morgendliche Berufsverkehr schwoll an, die ersten Lieferwagen fuhren los, die Ladengitter rasselten hoch, und die Zeitungsfrauen klapperten in den Häusern ihre letzten Wohnungstüren ab.
Der Helgoländer war noch geschlossen, aber Paul sah, daß Franz schon in der Küche war, und daß auch hier bald die tägliche Reinigungsaktion losgehen würde. Er stieg die Stufen zu seinem Zimmer hinauf, ohne an Fred und seine Leute zu denken. Für deren Geschäfte war es noch zu früh. Als er die Tür zu seinem Zimmer aufschließen wollte, sah er, daß der Schlüssel schon steckte. Dann fiel ihm ein, daß er ihn beim letzten Mal vergessen hatte; er zog ihn ab und öffnete.
»Hallo«, sagte eine Männerstimme. »Komm nur
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