Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
lautlos auf, schlich sich zur Tür und riß sie auf. Der Gang war leer. Er ging zurück und beugte sich aus dem Fenster. Die Autos schoben sich hupend durch die Straße. Auf der einen Seite war Halteverbot, auf der anderen gab es eine schmale Parkbucht mit Platz für acht Wagen.
Der schwarze VW war nicht darunter.
Paul tauchte den Kopf in die Schüssel mit Wasser und trocknete sich dann ab. Sein Kinn hatte sich in alle Regenbogenschattierungen verfärbt und ließ sein Gesicht unsymmetrisch und grotesk erscheinen. Er wandte sich vom Spiegel ab und ging aus dem Zimmer.
Bei Franz sah es genauso aus wie gestern, als er gekommen war. Es roch nach Chlorwasser und nassem Holzfußboden. Franz stand rund und behäbig hinter der Theke über einen Stapel Kassenbons gebeugt und machte seine Abrechnung.
»Hallo«, sagte Paul.
»Moment!«
Franz rechnete weiter, ohne aufzusehen. Paul wartete, bis Franz fertig war, und bestellte sich dann ein Essen. Franz rief etwas nach hinten in die Küche und goß zwei Bier ein. Er stellte ein Glas vor Paul auf die Theke, der es mit einem einzigen Zug leerte und Franz wieder hinhielt.
Franz füllte es neu. »Warst du bei Susann?«
»Klar, und wie! Ich weiß gar nicht, was du gegen sie hast.« Paul grinste.
Franz musterte ihn nachdenklich; sein Mondgesicht glühte vor Hitze, und seine dünnen Haare waren dunkel und feucht. »So, so ...« Er gab Paul das Glas zurück.
»Ein Klasseweib!« Paul pfiff leise vor sich hin.
»Findest du?« Franz trank in kleinen Schlucken und sah an Paul vorbei auf die Straße.
»Zuerst wollte sie sich aufspielen, aber ich habe ihr gezeigt, wer von uns beiden der Boß ist, und dann kamen wir gut miteinander aus. Ich bin erst vorhin zurückgekommen.«
Franz leckte sich den Schaum von der Oberlippe. Paul grinste breit.
»Hat's dir die Sprache verschlagen? Wo bleibt die Moralpredigt?«
»Ich wollte dich nur vor ihr warnen, aber es ist wohl nicht mehr nötig.«
»Nein?« Paul grinste immer noch.
Franz stützte sich schwer auf die Theke. »Paul, wenn du mir erzählen willst, daß du heute nacht bei ihr geblieben bist, mit dem lumpigen Fünfziger, den du von mir hattest, dann aber höchstens auf dem Fußabstreifer!«
Paul wurde dunkelrot. Franz goß ihm noch ein Bier ein und sagte mild:
»Aber ich bin froh darüber, glaub mir das. Sie ist kein Mädchen für dich, da gibt es wirklich bessere!«
Möchte bloß wissen, wo, dachte Paul. Laut sagte er nur: »Dieser Bewährungsfritze war schon heute morgen bei mir. Er heißt Klumboff oder so ähnlich. Ziemlich trübe Tasse.«
»Den kenne ich nicht. Was wollte er? Deine Seele retten?«
»Der würde sich doch nicht die Finger schmutzig machen. Hatte nur einen Job für mich.«
»Und?«
Paul zuckte die Achseln. »Es ist mir noch zu früh!«
»Ich hätte angenommen, an deiner Stelle.« Franz schwenkte die Gläser, die in dem Wasserbecken lagen. Paul fragte: »Sag mal ehrlich, Franz, glaubst du, daß sie mich auf so einem Elektrikerposten in Ruhe lassen würden? Noch dazu, wenn ich immer raus muß, auf Montage?«
Franz zog schweigend ein Glas aus dem Wasser und ließ es abtropfen.
»Du glaubst es doch selbst nicht!« sagte Paul.
»Ich glaube ...« Franz stellte das Glas weg. »Ich glaube, daß es besser für dich wäre, wenn du für einige Zeit verschwinden würdest. Süddeutschland oder so.«
»Und dann hätte ich Ruhe vor ihnen?« Paul hatte die Stimme erhoben.
Franz sortierte die leeren Flaschen aus. »Es wäre doch immerhin möglich ...« Franz bückte sich und rumorte unter der Theke herum. Dann ging er in die Küche und kam mit einem tiefen Teller voll Eintopf zurück.
»Ich weiß einen anderen Weg«, sagte Paul und begann zu essen.
Franz sah ihm dabei zu. »Tu's nicht!« sagte er nach einer Weile leise.
»Bitte?« Paul grinste mit vollem Mund.
»Was immer du vorhast – tu's nicht!«
Paul löffelte den Rest aus dem Teller. »Du wirst mir schon helfen!« meinte er zuversichtlich und rutschte von seinem Stuhl.
»Nein, Paul. Ich bin draußen aus dem Geschäft. Das einzige, was ich dir noch geben kann, ist ein guter Rat.«
»Aber Franz, alter Schieber, du wirst doch einen Freund nicht mit guten Ratschlägen beleidigen ... Tausend Dank fürs Essen; bis nachher.«
Paul ging hinaus. Er spürte, daß Franz ihm nachsah, und hätte gern noch etwas anderes gesagt, aber er ging weiter.
Auf der Straße brannte die Sonne; der Asphalt war weich. Paul schlenderte weiter und blieb vor einem Schaufenster stehen.
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