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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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herein!«
    Paul blieb steif stehen.
    Er hatte den Mann, der auf seinem Bett saß, noch nie gesehen. Er war viel älter als er, auch älter als Fred und Harald, über dreißig. Sein Kopf war rund, und die Stirn wölbte sich bis weit in die Haare hinein. Er hatte wasserhelle Augen und eine hochgestülpte Kugelnase, die rot glänzte. Eine leichte Popelinejacke versuchte vergeblich, den etwas massigen Oberkörper und die wuchtigen Schultern zu verbergen.
    »Komm doch herein!« Die Stimme war weich und schleppend.
    »Ach so – Sie!« Paul schloß die Tür hinter sich.
    Der andere lachte. »Du weißt also, wer ich bin?«
    »Vermutlich vom Sozialamt. Bewährungshelfer oder so was.« Paul schaute auf den Fremden herab. »Es ist noch ziemlich früh für Ihren Job, oder?«
    »Ich fange gerade an.« Er lächelte. »Du bist mein erster Kunde.«
    »Eigentlich wollte ich jetzt ein bißchen schlafen.« Paul starrte auf den offenen Koffer und die vielen Zigarettenkippen am Boden.
    »Natürlich ... Möchtest du rauchen?« Der andere bot ihm eine offene Packung an.
    Paul schüttelte den Kopf, bemerkte das Erstaunen und fügte hastig hinzu: »Jetzt nicht, danke.«
    »Ich heiße Ernst Kulmhof. Nenn mich ruhig Ernst!«
    Paul blies eine unsichtbare Feder von seiner Handfläche.
    »Du warst wohl ein bißchen bummeln in der ersten Nacht«, sagte Kulmhof; »na ja, das kann ich verstehen.«
    So, kannst du das? dachte Paul. Laut sagte er. »War nur am Hafen, das hat mir gefehlt.«
    »Ja, sicher ...«
    Kulmhof zog heftig an seiner Zigarette, und Paul erkannte verwundert, daß er unsicher war. Eine Minute lang sagten beide nichts, dann begann Kulmhof leise und in seiner gedehnten Sprechweise:
    »Wir haben einen Arbeitsplatz für dich. In einem Elektrogeschäft in Altona. Du wärst viel unterwegs, keine langweilige Arbeit – und der Meister weiß von deiner Strafe.«
    »Die Kollegen auch?« fragte Paul scharf.
    Kulmhof schwieg.
    Paul ging zur Tür und zog sie auf.
    »Ich bin müde, vielleicht können wir uns ein anderes Mal darüber unterhalten!«
    »Natürlich.« Kulmhof stand eilig auf und sah auf die Asche an seiner Zigarette. Zögernd ließ er sie auf den Boden fallen. »Hier hast du meine Telefonnummer; ruf mich an, wenn du in Schwierigkeiten bist – ich meine, falls ...«
    »Ja, ja«, sagte Paul gelangweilt und steckte den kleinen Zettel aus kariertem Papier ein, ohne ihn anzusehen.
    An der Tür blieb Kulmhof noch einmal stehen. »Haben sich deine alten Kumpane schon blicken lassen? Die von damals?« Er hüstelte verlegen.
    »Ich wüßte nicht, wer das sein sollte.«
    »So, na – dann ist es ja gut. Nur, falls sie dir irgendwie, ich meine ...« Kulmhof stockte, brach dann in ein meckerndes Lachen aus und klopfte Paul auf die Schulter. »Du wirst es schon richtig machen, oder?«
    »Sicher, ich brauche nur etwas Ruhe!«
    Paul zwang sich, gelassen und höflich zu bleiben. Kulmhof lachte wieder und versuchte, Paul noch einmal auf die Schulter zu klopfen, aber Paul wich aus. Kulmhof nahm die heruntergebrannte Zigarette vorsichtig von der rechten in die linke Hand und machte mit der Rechten eine Abschiedsbewegung.
    »Hör zu, betrachte mich als deinen Freund, okay?«
    »Mhm«, grunzte Paul.
    Als er endlich allein war, warf er sich auf das Bett und starrte lange Zeit hinauf zu der rissigen Decke, ohne an etwas zu denken.
    Dann kam die Angst.
    Paul setzte sich auf, sah gehetzt um sich und riß sich den Pullover über den Kopf. Es half nichts. Die Hitze kam nicht von außen. Sein Magen zog sich zusammen, und Paul wälzte sich auf den Bauch, das Gesicht in die Decken gegraben.
    Geld, dachte er; ich muß an das Geld denken ... Er stellte sich ein Schiff vor, einen großen Überseedampfer, und sich selbst in engen, schneeweißen Hosen, weißem Rollkragenpullover und blauem Blazer, lässig an die Reling gelehnt, braungebrannt und durchtrainiert, im Gespräch mit einem Mädchen. Susann? Irgendeinem Mädchen eben, einem hübschen, jungen Mädchen; auf der Reise in den Süden, in ein Land, in dem immer die Sonne schien. Langsam wurde er ruhiger. Er streckte sich aus und schlief ein.
    Ein Geräusch weckte ihn, er schreckte auf. Seine Augen waren noch klein vom Schlaf, sein Atem ging keuchend. Es war drückend heiß im Zimmer; draußen schien die Sonne. Es mußte schon weit über Mittag sein.
    Paul schaute auf die Tür, aber sie war geschlossen. Dann hörte er es wieder. Schritte, ein Klappern ... Ein anderer Mieter, nichts von Bedeutung.
    Paul stand

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