Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
brauchst du noch keinen, oder?«
»Doch, alle zwei Tage!« Er grinste breit und warf das Handtuch in die Badewanne. Dann ging er an ihr vorbei in das Wohnzimmer. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer war halb offen, dahinter war es dunkel. Hier herrschte graues Dämmerlicht, das durch die zugezogenen Vorhänge einen weichen rötlichen Schimmer bekam.
Paul ging zum Fenster, zog die Vorhänge auf und schaute hinaus. Auf den parkenden Autos lag eine glitzernde Tauschicht. Der schwarze Volkswagen war nicht dabei.
Paul reckte sich. Hinter den Häusern schimmerte die Norderelbe wie ein blanker Aluminiumstreifen im Morgenlicht. Die Aufbauten der Schiffe im Freihafen und die Kräne der Docks zeichneten ein verschachteltes Muster gegen den Horizont.
»Vielleicht sagst du mir endlich, was du willst!« Susanns Stimme bebte vor unterdrückter Wut.
Paul drehte sich um. »Du hast einen schönen Blick hier. Genau das, was ich mir zwei Jahre lang gewünscht habe!« Er ging langsam in den Raum zurück.
»Was du willst, habe ich dich gefragt!« zischte Susann.
»Spiegeleier, wenn du welche hast, Brot, Butter, Honig und viel Milch. Ich trinke gern Milch.«
»Raus!« schnaubte sie.
Paul spürte seinen Magen, aber als er sie ansah, lächelte er. »Hör zu, Susann. Ich habe hier auf der Treppe geschlafen – nicht, weil ich nah bei dir sein wollte, sondern weil ich Angst hatte. Ganz abscheuliche Angst vor Fred und seiner Bande. Es gehört nicht viel dazu, das zuzugeben; sie waren ja gestern hier, du hast sie gesehen. Sie sind hinter mir her, und ich habe keine Möglichkeit, mit ihnen fertig zu werden. Jeden Dienstag muß ich mich auf der Davidswache melden, und damit hat Fred mich genauso unter Kontrolle wie die Polizei. Ich habe nicht viel zu verlieren, verstehst du?«
Susann verschränkte die Arme; ihr Mund verzog sich. »Das Baby spielt man? Na gut, dann wollen wir ihm seine Milch geben.« Sie wandte sich ab und ging in die Küche hinüber. Während sie dort mit den Töpfen klapperte, stellte sich Paul wieder ans Fenster und schaute zu, wie die Stadt allmählich erwachte.
Während er aß, saß Susann mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der anderen Seite des Küchentischs, beobachtete ihn und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er kümmerte sich nicht um sie. Er konzentrierte sich auf das Essen, auf den Geschmack der Milch, der Eier und des frischen Brotes. Dann lehnte er sich zufrieden zurück. Er drehte das Milchglas zwischen den Fingern.
»Und nun zum Geschäft. Wer ist Kodell, und wo hat er Geld unterschlagen?«
»Hör zu, Kindchen ...« Susanns Stimme war überlegen und kühl: »Was geht dich das an? Du hast weder mit mir noch mit Kodell zu schaffen, also halte dich raus!«
»Susann, mich interessiert nicht im geringsten, was du mit ihm hattest. Ich will nur eins: genügend Geld, um damit im Ausland neu anzufangen. Also, wo hat er Geld unterschlagen, und wie hat er es gemacht?«
»Willst du von ihm lernen?«
Ihre Stimme klang ironisch, aber Paul überhörte die leichte Unsicherheit nicht. Er sah sie an. Ihr Bademantel war etwas auseinandergerutscht aber sie bemerkte es nicht. Oder es machte ihr nichts aus. Bei ihm.
Er wollte sie überzeugen, und sich selbst auch.
»Ich habe gestern mitangehört, was ihr gesprochen habt. Ich habe eine Idee, aber vorher muß ich wissen, ob es überhaupt so ist, wie ich es mir vorstelle. Wo arbeitet dieser Kodell? Als Buchhalter in einer Firma oder in einer Sparkasse?«
Susann schwieg, aber Paul redete schnell weiter:
»Wenn er soviel Geld unterschlagen konnte, ohne daß es bemerkt wurde, muß er doch einen Vertrauensposten haben. Und er muß viel mit Bargeld zu tun haben, denn 4000 Piepen sind normalerweise nicht in jeder Ladenkasse ... Also?« Paul bemerkte das aufsteigende Interesse in Susanns Augen und fügte noch hinzu: »Außerdem muß ich wissen, ob er eine Pension zu verlieren hat, oder was sonst für ihn auf dem Spiel steht ...« Er war fertig. Um sie nicht ansehen zu müssen, bückte er sich und band seine Schnürsenkel neu.
Endlich sprach Susann, halblaut und sachlich: »Er ist Leiter einer kleinen Filiale der Fischerei- und Landwirtschaftsbank Nord, irgendwo am Holstenwall. Er hat ein ganz nettes Gehalt, wollte aber vor mir den ganz dicken Otto markieren. Er hat erst seine Ersparnisse aufgebraucht, dann ein Darlehen genommen und schließlich Geld aus seiner Kasse ... Ich habe es selber erst gestern erfahren.«
»Wie konnte er das tun, ohne schon am nächsten Tag
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