Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
Finger liefen wie Katzenpfoten über die obere Glaskante. Dann wandte er sich plötzlich ab und ging zurück, in Richtung Möbelabteilung.
Paul blieb einen Moment wie erstarrt stehen. Zwischen den verschiedenen Jagdmessern klaffte eine Lücke. Vor einer Sekunde hatte dort noch ein besonders großes, dolchartiges Messer gelegen, jetzt ... Mit langen, lautlosen Sätzen holte er Bertie ein.
C. K. M.-EINBAUKÜCHEN NACH DEM BAUKASTENSYSTEM kündigte ein Schild an. Ein riesiges Farbfoto zeigte eine Reklamefamilie beim Frühstück und bildete, auf Holz aufgezogen, die Trennwand zwischen zwei Musterküchen. Bertie beugte sich gerade mit gespieltem Interesse über eine funkelnde Stahlplatte mit Prospekten.
Paul blieb dicht hinter ihm stehen und schob einen Fuß seitlich vor. »Womit kann ich dienen?« fragte er flüsternd.
Bertie fuhr wie elektrisiert herum, wollte ausweichen, stolperte über Pauls Fuß und wäre gefallen, wenn Paul ihn nicht aufgefangen hätte. Er drückte ihn gegen die Stahlplatte zurück.
Bertie zitterte am ganzen Körper. Sein Gesicht war kreideweiß. Er machte den Mund auf und zu wie ein Fisch, aber kein Ton kam heraus. Seine Blicke irrten über Pauls Schulter hinweg unruhig durch den Raum.
»Keine Angst, hier sind wir ganz unter uns!« Paul verstärkte den Druck etwas.
»Laß mich los!« Bertie krümmte sich.
Paul sah auf Berties angstverzerrtes Gesicht hinunter.
»Laß los!« wiederholte Bertie. Seine Stimme klang etwas fester.
»Du bist wohl nicht besonders mutig, wenn dein Fred nicht dabei ist oder Harald oder Walter, die Matratze?« erkundigte sich Paul.
Bertie wand sich und versuchte loszukommen. »Warte nur, bis sie dich das nächste Mal erwischen!«
»Du wirst jedenfalls nicht mit dabeisein.«
»Ewig kannst du mich hier nicht festhalten!« Bertie hatte seinen Schreck überwunden und entspannte sich. »Der erste Verkäufer, der vorbeikommt, wird –«
Paul unterbrach ihn: »– wird dich gleich mitnehmen. Ladendiebstahl ... Oder hast du einen Kassenzettel für das Messer?«
Bertie wurde unter seinen Händen schlaff. »Ich weiß nicht, wovon du quasselst«, quetschte er mühsam hervor.
»Von dem Jagdmesser«, erinnerte ihn Paul.
»Kommen Sie bitte mit!« sagte plötzlich neben ihnen eine Stimme. Paul und Bertie schreckten hoch. Ein Verkäufer kam mit zwei Kunden in die Küche und ging weiter in den nächsten Raum. Bertie grinste schief. »Ich dachte, du wolltest ihm etwas sagen?«
»Später ... Glaub nicht, daß ich Witze mache. Ich hab Grund genug, dich hochgehen zu lassen!«
Bertie kaute auf seiner Lippe herum. Paul sah, daß er ihm glaubte.
»Wer ist euer Boß?« fragte er.
Wieder näherten sich Schritte. Ein Verkäufer sah herein, murmelte etwas und wollte wieder gehen, als Paul einen Schritt auf ihn zu machte. »Einen Augenblick bitte!« sagte er höflich.
»Ja?« Der Verkäufer blieb bereitwillig stehen.
»Nein, warte!« stieß Bertie hinter Paul heftig hervor.
Paul lächelte den Verkäufer an. »Kann man diese Einbauküchen auch in anderen Farben bekommen?«
»Ja, in Hellgrün, Gelb und Grau ...«
Der Verkäufer kramte aus den Prospekten Farbtafeln hervor und redete weiter. Paul sah unverwandt Bertie an, dessen Augen den Verkäufer lauernd beobachteten.
»Vielen Dank, wir sehen uns noch etwas um!«
Paul packte Bertie am Arm und zog ihn mit in den nächsten Raum. Er ließ Bertie los. Es war ein Wohnzimmer. Paul probierte einen Sessel aus und hüpfte dann auf dem Teppich rund um den Tisch. Er blieb vor dem Bücherregal stehen und strich über das Holz. Bertie schaute sich um.
»Bleib hier«, warnte Paul. »Du kommst nicht weit!«
»Fred ist der Boß«, sagte Bertie.
»So, so, und ihr seid mächtig stark, wie?«
Berties Augen waren schmal und dunkel. »Ich verrate dir etwas, wenn du mich gehen läßt«, zischelte er.
Paul grinste, ohne zu antworten. Bertie schob sich unauffällig zum Ausgang des Musterzimmers. Irgendwo bellte wieder der Ansager.
»Nun?«
Bertie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er hakte die Hände in die Rücktaschen seiner Lederjeans. »Weißt du, warum sie dich heute morgen in Ruhe gelassen haben?«
»Weil ihr noch geschlafen habt!«
»Nein!« Berties Mund wurde dünn. »Weil sie auf eine gute Gelegenheit warten, auf eine hundertprozentige!«
»Wofür?« Paul spürte, wie sich seine Rückenmuskeln verkrampften. »Um dich auszuschalten! Sie wollen dich diesmal wirklich ausschalten. Endgültig! Kapierst du, was das heißt?«
Paul
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