Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
bewegte sich nicht.
»Sie wollen dich umlegen!« Bertie spuckte die letzten Worte voller Haß aus; sein schmaler Körper war gespannt wie ein Bogen, als er sich wieselhaft schnell umdrehte und zwischen den Tischen und Stühlen hindurchflitzte, den Treppen zu.
Paul sah ihm nach, immer noch regungslos.
12
Paul ließ sich von der Rolltreppe hinuntertragen und ging zurück auf die glutheiße Straße. Der Teer gab unter seinen Schuhen nach, die Luft vibrierte vor Hitze, aber im Westen färbte sich der grau-weiße Himmel schon dunkel.
Paul fühlte sich schmutzig und unausgeschlafen. Langsam ging er zurück zur Fehrstraße, die Hände tief in die Hosentaschen gegraben. Plötzlich fühlte er zwischen den Fingern ein Stück Papier. Im ersten Moment dachte er, es sei ein übriggebliebener Geldschein, aber als er die Hand herauszog, war es der karierte Zettel.
Ernst Kulmhof, Löfflerstraße 4, Tel.: 28 47 07.
Paul ging etwas schneller, blieb wieder stehen und zerknüllte das Papier. Er hob die Hand, senkte sie wieder und strich das Blatt sorgfältig glatt.
Irgend jemand rempelte ihn von hinten an. Paul fuhr herum, ein mit Kisten bepackter Mann grinste um Entschuldigung bittend und ging weiter. Paul begann zu laufen.
Als er die Kneipe von Franz erreichte, war er naßgeschwitzt. Er ging in den dunklen Schankraum und blinzelte einen Moment, um sich an das veränderte Licht zu gewöhnen. Die Stühle standen schon neben den Tischen, die ersten Gäste saßen bei ihrem Bier.
Paul ging nach hinten durch zu der Tür, hinter welcher die Waschräume und der Telefonautomat waren. Er nahm zwei Zehnpfennigstücke heraus. Sie fühlten sich an, als hätte er sie aus dem Wasser gefischt.
»Paul!«
Es war Franz. Er wischte sich mit einem riesigen Tuch über die Stirn und prustete. »Eine verdämmte Hitze ist das heute. Wird wohl ein Gewitter geben ...«
Paul wartete.
Franz zeigte mit dem Kopf zum Schankraum hin.
In der hintersten Ecke an einem runden Tisch, direkt unter dem vollkommen zugestaubten Fenster, saß Susann. Sie hatte die Haare hochgesteckt und trug eine schneeweiße Bluse. Sie rauchte und lächelte zu ihm herüber. Paul hob eine Hand und winkte.
»Hör zu, Junge ...« begann Franz.
Paul klopfte ihm auf die Schulter. »Muß mich waschen!« Er ging durch die Tür, am Telefon vorbei zu den Waschräumen, ließ die Münzen und den durchweichten Zettel in die Hosentasche zurückfallen und drehte den Wasserhahn auf. Er zog den Pullover über den Kopf, krempelte seine Hemdärmel auf und starrte einen Moment auf seine mageren, bleichen Arme. Dann wusch er sich so lange, bis er sich frisch fühlte, trocknete sich ab, nahm den Pullover über den Arm und ging hinaus.
»Hallo«, sagte er und setzte sich gegenüber von Susann auf einen Stuhl.
»Hallo!« Sie lächelte. »Ich hoffte, dich hier zu treffen.«
Susann hatte eine Tasse mit schwarzem Kaffee vor sich stehen. Paul stand wieder auf und ging zur Theke.
»Habe ich noch Kredit?«
Franz schnaubte: »Mit dem geldgierigen Weibstück ungern!«
»Ein helles Bier für mich, einen Cognac für sie.«
»Doch nicht bei der Hitze! Bring ihr einen Martini, das kühlt sie vielleicht ab.«
Paul wartete, bis Franz ihm die Gläser gab, und ging zum Tisch zurück. Er stellte Susann das Martiniglas hin und setzte sich.
»Oh, vielen Dank!« Sie drehte das Glas, ließ die Eisbrocken klingeln, nahm einen kleinen Schluck und sah Paul über den Rand des Glases hinweg an.
Sie war sorgfältig geschminkt, und ihre Augen wirkten viel größer, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Als er sah, daß sie eine Zigarette aus der Packung zog, nahm er die Streichhölzer und gab ihr Feuer. Sie zog seine Hand langsam zu sich hinüber.
Paul riß sich los. »Was ist plötzlich mit dir los?« fauchte er.
»Ich denke, wir sind Partner?«
Sie lachte; Paul umklammerte sein Bierglas. Als sie wieder sprach, war ihre Stimme seidenweich.
»Ich habe mit Kodell gesprochen ... Du erinnerst dich doch an Kodell, oder?«
Paul legte seine Lippen gegen das kühle Glas.
Sie blies eine Rauchwolke in seine Richtung und fuhr leise fort: »Stell dir vor, er wollte mir die Pläne nicht geben! Er wurde richtig böse, als ich ihm den Vorschlag machte. Wütend sogar. Er behauptete, er könne das Geld auch ohne mich auftreiben. Er war wie verwandelt!«
Paul lehnte sich zurück und schloß die Augen. Erleichterung strömte über ihn hinweg.
»Er war wirklich nicht sehr freundlich«, sagte Susann, »und ich mag
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