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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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stand in ihrer Zimmertür und hatte einen weißen Frotteemantel an. Ihr Haar leuchtete wie Karottengemüse.
    Paul wollte an ihr vorbeigehen, aber sie fragte leise: »Haben Sie schon die Zeitungen gelesen?«
    Paul blieb stehen.
    »In dem Aufzug sehen Sie aus wie vierzehn!« sagte er.
    »Haben Sie von dem Mord gelesen?«
    »Steht Ihnen aber gut!«
    Sie blieb ernsthaft.
    »Scheußlich, nicht wahr? Es muß gerade passiert sein, als ich da draußen lang kam. Ich war bei einer Kollegin und fuhr mit der 7 nach Hause.«
    »Na, dann wissen Sie ja sicher eine ganze Menge!« Er grinste. Ihm war leicht und frei zu Mute, als wäre er gar nicht selbst hier oder als hätte er viel getrunken. Dann fiel ihm seine gestrige Straßenbahnfahrt ein, und er mußte noch mehr grinsen.
    »Nein, viel weiß ich nicht«, sagte sie ruhig.
    Paul dachte daran, daß sie gerade die Treppe heruntergekommen war, als er Kulmhof erzählt hatte, er sei zu Fuß gelaufen. Pauls Lachreiz wurde immer stärker.
    »Vielleicht haben Sie sogar ein verdächtiges Subjekt gesehen?« half er ihr.
    Sie schüttelte den Kopf und fixierte ihn.
    »Nein, ich habe nichts gesehen. Überhaupt nichts!«
    »Man sollte es nicht für möglich halten!« Er mußte die Zähne fest aufeinanderbeißen, um nicht laut zu lachen.
    »Ruhe, zum Donnerwetter!« brüllte nebenan die Stimme der Alten. Paul deutete vielsagend in die Richtung, verbeugte sich tief, drehte sich um und ging in sein Zimmer.
    Er legte sich auf sein Bett und wartete.
    Der Lachreiz war verschwunden.
    Als er wieder auf die Uhr sah, war es Viertel nach zwölf. Vier Züge waren in der Zwischenzeit draußen vorbeigefahren. In der Wohnung war es ruhig.
    Paul stand auf und trat ans Fenster. Die Lichter des Straßenbahndepots schienen hinter dem Regenschleier winzig klein und sehr weit weg. Der Himmel über den Dächern war tintenschwarz.
    Wenn das nicht ein komisches Mädchen ist! dachte er. Leise schlich er an die Tür und drückte sie auf. Nichts war zu hören. Er schloß die Tür lautlos hinter sich und tastete sich behutsam durch den schmalen Gang. Bei dem Zimmer des Mädchens zögerte er kurz und legte ein Ohr gegen die Türfüllung. Er glaubte, ihren regelmäßigen Atem hören zu können, und ging weiter. Mit beiden Händen schob er den Schlüssel ins Schloß, klinkte vorsichtig auf und hob die Tür beim Öffnen an. Sie gab geräuschlos nach.
    Zwei Minuten später stand er unten auf der Straße und lief zum Bahnhof hinüber.
    Susann kam ihm schon am Eingang entgegen.
    »Wo bleibst du denn so lange? Das war eine ausgesprochene Pleite mit dem Treffpunkt am Bahnhof! Drei Kerle haben mich schon angequatscht.«
    »Und was hast du ihnen gesagt? Daß heute dein freier Tag ist?« Paul nahm ihr die Sachen ab und lachte in sich hinein.
    Susann beobachtete ihn wieder von der Seite, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg aber.
    »Beeilen wir uns, damit wir nicht naß werden!« sagte Paul.
    Er wartete, bis die Fußgängerampel auf Grün schaltete, und ging dann voraus über die Straße und in die Nebenstraße hinein.
    Der fünfte Wagen war nicht abgeschlossen.
    Es war ein Opel. Paul ging an dem Auto vorbei, sah sich um und schlenderte wieder zurück. Sie waren im Augenblick die einzigen Fußgänger.
    »Das ist wie bestellt!« Paul flüsterte unwillkürlich. »Keine Bars, keine Nachtlokale, kein Kino. Nur Büros und Wohnhäuser und eine Menge Parklücken. 100 zu 1, daß der Besitzer vor morgen früh nicht mehr kommt, und dann steht seine Karre wieder hier am gleichen Fleck.«
    Susann beobachtete interessiert, wie er das Lenkradschloß knackte und die Zündung kurzschloß. Der Motor sprang an.
    Langsam zog der schwere Wagen aus der Parklücke und schob sich auf die Straße.
    Paul pfiff leise vor sich hin, als er sich an der Großen Bergstraße in den Verkehrsstrom reihte. Susann saß mit zusammengekniffenen Lippen neben ihm und starrte aus dem Fenster. Der Verkehr wurde dichter, blieb aber flüssig. Der Regen hatte nachgelassen.
    »Macht Spaß, wieder mal Räder unter sich zu haben.« Paul pfiff lauter.
    »Paß auf!« zischte Susann, als er vor einer Ampel bis auf fünf Zentimeter an die Stoßstange des Vordermannes hinfuhr.
    »Keine Angst, Kindchen, das versteht der Paul.« Er gab Gas, überholte in einem weichen Bogen und blieb auf der linken Fahrbahn.
    »Fahr doch vorsichtiger!« Susanns Stimme war unruhig.
    »Nervös?« Paul sah auf ihre zitternden Hände.
    Susann antwortete nicht. Paul kurbelte das Fenster herunter,

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