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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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legte den linken Ellbogen in den Rahmen und ließ die Rechte lässig auf dem unteren Bogen des Steuerrades liegen. Vor der nächsten Ampel kuppelte er aus und rollte geräuschlos hinter die wartenden Autos.
    Eine Sirene ertönte; Susann schreckte hoch. Sie wischte über ihr Seitenfenster, um besser sehen zu können, und umklammerte schon den Türgriff.
    »Es ist nur ein Krankenwagen!« Paul fuhr wieder an.
    Erst als sie über den Holstenwall hinüber waren und an der Rückseite des Bankgebäudes parkten, kam die Angst zurück. Sie kam so plötzlich und so stark über Paul, daß er zuerst völlig wehrlos war. Er blieb im Auto sitzen und sah mit weit aufgerissenen Augen hinaus auf das dunkle Gebäude.
    Nichts ist dazwischengekommen! dachte er. Nichts! Die neugierige Ziege hat mich nicht angezeigt, die Alte hat mich nicht weggehen hören, dieser blöde Bewährungs-Kulmhof war nicht da. Alles hat geklappt, es geht los ... Ich muß wirklich ran.

29
    »Mach doch endlich!« drängte Susann neben ihm. Er drehte sich halb um und legte den rechten Arm auf die Rücklehne.
    »Du kannst es wohl gar nicht erwarten, was?«
    Sie schwieg und schaute hinaus, obwohl es da wenig zu sehen gab außer Bäumen und dunklen Häuserfronten. Paul hob eine Hand etwas an und fuhr mit einem Finger leicht durch Susanns Haare, er berührte ihr Ohr, tastete die Konturen ab, ließ den Finger über den Hals gleiten und langsam über das Kinn zu ihrem Mund steigen.
    Sie bewegte sich nicht.
    »Leidenschaftlich wie ein Pökelhering«, sagte er, nahm seinen Arm zurück, holte die Tasche und den Werkzeugkasten vom Rücksitz und sah noch einmal rasch nach, ob er alles hatte, was er brauchte. Er gab Susann einen leichten Schubs; sie stieg aus, er folgte ihr.
    »Hier ist das Kellerfenster. Wenn die Tasche nicht so durch die Gitter geht, dann mußt du mir die Sachen einzeln hineinreichen.«
    Paul schnallte sich den Werkzeugkasten um und zog noch einmal die Handschuhe glatt.
    »Es hat aufgehört zu regnen«, sagte Susann.
    Paul stellte die Reisetasche vor das Kellerfenster und drehte sich zu Susann um. Sie sah ihn an und leckte sich über die Lippen wie eine Katze.
    »Wenn jemand kommt, dann pfeifst du, klar?« fragte er; sie nickte wortlos.
    Er wandte sich ab und umfaßte das dicke Regenrohr mit beiden Händen. Er reckte sich, bis er die Klammer erreichte, hielt sich fest und stützte sich mit den Schuhsohlen gegen das rostige Metall.
    Es war vom Regen naß, und seine Gummisohlen rutschten ein paarmal ab. Aber er zog sich höher, und allmählich faßten seine Füße Halt an der Mauer und am Rohr. Als er die erste Metallklammer mit den Beinen erreicht hatte, ging es leichter. Er zog sich jeweils von einer zur anderen und erwischte schließlich mit den Händen den Fenstersims im ersten Stock. Seine Füße stützten sich auf das kastenartige Muster, das rund um die Fassade lief, und er konnte kurz zu Susann hinunterschauen. Ihr Gesicht war ein heller, ovaler Fleck.
    Paul sah die Lichter hinter den Bäumen und glaubte, daß die Leute dort ihn auch sehen müßten. Er sah wieder weg. Vor ihm schimmerte die große Glasscheibe.
    Paul faßte vorsichtig in die Tasche, holte die Tube Klebstoff heraus und zögerte. Er konnte die linke Hand nicht freibekommen, weil er sich festhalten mußte. Kurz entschlossen biß er die Verschlußkappe ab und spuckte das scharf schmeckende Hütchen weg. Er bestrich die ganze Scheibe gleichmäßig mit der Flüssigkeit und verstrich die Masse dann mit dem Tubenende. Dann wartete er ein paar Minuten und warf die Tube fort. Er tastete mit der Hand nach der Folie und zog sie heraus. Sie hatte sich elektrisch aufgeladen und klebte fest zusammen. Paul sah, daß der Klebstoff auf der Scheibe zu schnell trocknete, und zerrte heftig an der Folie. Sie faltete sich knisternd auseinander, blieb aber jetzt an seiner Hand hängen. Paul drückte sie mit der Stirn fest gegen die Scheibe und strich sie mit der freien Hand über das restliche Glas.
    Er konnte jetzt nur an den kleinen Falten sehen, daß eine Folie auf dem Fenster saß. Wieder wartete er ein paar Minuten und rieb von Zeit zu Zeit über die glatte Fläche.
    Er mußte sich zwingen, nicht auf den fernen Verkehrslärm zu achten. Die Stadt war nicht still; unentwegt fuhren irgendwo Autos an, Hupen ertönten, Menschen riefen. Paul fühlte sich vor der Hauswand auffällig und weithin sichtbar.
    Er merkte, daß seine Beine zu zittern begannen, und seine linke Hand wurde gefühllos. Er zog den

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